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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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graues Pferd trabte schwerfällig heran. Raoul ging ihm ent gegen und legte ihm die Hand auf den Hals. Der Reiter war so ärmlich gekleidet, dass man ihn für einen Bauern hätte halten können: eine verschlissene Cotte und eine Bundhaube, die ihre besten Tage auch schon hinter sich hatte. Doch das Gesicht hätte Anna überall wiedererkannt.
    Tückischegrüne Augen, ein grau durchsetzter Bart, der von einer Narbe geteilt wurde. Der fleischige Mund verzog sich zu einem Grinsen. Sie erinnerte sich an dieses Lächeln – als er Mar tin erschlagen hatte. Anna taumelte zurück. Ihr wurde eiskalt, sie starrte von ihm zu Raoul. Im ersten Moment fühlte sie gar nichts – nur wie ihr Mund trocken wurde und ein Zittern sie überlief. Sie war wie betäubt.
    »Ihretwegen wolltet Ihr meine Hilfe?«, fragte Heinrich von Wolfsberg. Er lachte spöttisch. »Sie fällt Euch doch nur zur Last. Tötet sie, das hättet Ihr schon längst tun sollen!«
    Anna wusste nicht, vor wem sie mehr Angst hatte: vor dem äl teren Raubritter oder vor dem schlanken dunkelhaarigen Mann an seiner Seite. Das Licht spielte ein verwirrendes Spiel auf Raouls Cotte. Er maß sie kurz und berührte seine blutende Lippe. »Nicht jetzt«, meinte er mit undurchschaubarem Gesicht.
    »Sie gefällt Euch, was?«, grinste der Fraß. »Dann nehmt sie, bis Ihr genug von ihr habt, und schneidet ihr dann die Kehle durch!«
    »Ich habe Euch nicht gerufen, um mir das Gefasel eines lüs ternen alten Mannes anzuhören!«, erwiderte Raoul so heftig, dass Anna zusammenschrak. Zwischen seinen Brauen bildete sich eine steile Falte. Er presste Daumen und Zeigefinger auf die Nasen wurzel.
    »Ach, das ist der Föhn, er macht Euch reizbar. Man bekommt Kopfschmerzen davon, aber Ihr werdet Euch schon daran gewöh nen.« Schwerfällig kam der Raubritter aus dem Sattel. Er warf einen Blick nach Anna, und ihr fiel auf, dass seine Augen durch das häufige Kauen von Bilsenkraut rot geädert waren. »Das höfische Gehabe steht Euch nicht, Raoul. Dabei habe ich es an Euch ge schätzt, dass Ihr diese verlogene Maske nie getragen habt. Ein Rit ter ist zum Töten ausgebildet, ganz gleich ob ihn der König dafür bezahlt oder ob er es auf eigene Rechnung tut. Eure Worte, mein Freund!«
    »Haltet den Mund!«, erwiderte Raoul schroff. »Auf dieser Seite desLechs sage ich Euch, was Ihr zu tun habt, findet Euch damit ab!«
    Heinrich von Wolfsbergs Hand fuhr zum Schwert. Raoul erwi derte den Blick kalt. Überrascht bemerkte Anna, wie der Ältere sich unbehaglich mit der Zunge über die fleischigen Lippen fuhr. So dankbar sie für Raouls Schutz war, fragte sie sich doch, was er getan haben konnte, dass sogar Heinrich von Wolfsberg ihn fürch tete.
    Wie um den Anflug von Scheu zu bekämpfen, hob der Fraß die Flasche an seinem Gürtel. Der Geruch von Met stieg auf. Er nahm einen tiefen Schluck und wischte sich den Mund. »Meinet wegen.«
    Auf Raouls Handbewegung hinkte er zum Feuer und ließ sich nieder.
    »Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben«, versuchte Mai mun sie zu beruhigen. »Sie sind sich im Heer König Friedrichs be gegnet. Raoul hat ihn gerufen, weil er die Gegend kennt, aber mehr verbindet sie nicht.«
    Anna hockte sich etwas abseits. In der Gewalt ihres Feindes fühlte sie sich ohnehin alles andere als sicher, und dass er mit dem Fraß im Bund war, empfahl Raoul noch weniger. Während sie fie berhaft überlegte, wie sie fliehen konnte, hörte sie mit halbem Ohr den Gesprächen zu.
    »Was bringt Ihr für Neuigkeiten?«, fragte Raoul und reichte sei nem Gast den Becher. Der Ritter leerte ihn in einem Zug, während Raoul einen toten Hasen mit dem Dolch aufschlitzte. Vermutlich hatte er ihn gefangen, während Anna bewusstlos gewesen war.
    »Es gab wieder keine Entscheidung. Die Heere der beiden Könige standen sich bei Buchloe gegenüber. Bewegungslos wie zwei Kreuzottern, die auf die Gelegenheit zum Zuschlagen warten. Bis zum Bauch sollen die Gäule im Wasser gestanden haben. Ludwig hätte Friedrich aufreiben können, aber er hat den Vogel wieder mal ungerupft gelassen. Wäre ich Friedrich, hätte ich ihm einen Meuchelmördergeschickt. Stattdessen sind sie abgezogen. Weiß der Teufel, warum.«
    Das dunkle Haar, das ihm ins Gesicht fiel, ließ Raouls Blick noch intensiver wirken. Mit wenigen Schnitten hatte er die Einge weide des Hasen entfernt und steckte die Waffe in die Erde. Anna wünschte, der Landrichter würde ihn wegen Wilderei hängen. Seinem höhnischen Lächeln nach schien er

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