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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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ein König seine Abstammung anerkennt.«
    Verblüfft verstummten die tuschelnden Stimmen. Mit wild schlagendem Herzen, den Kopf gesenkt wie ein Mann, über den ein Urteil gesprochen werden soll, wartete Raoul.
    Er hörte Ludwig leise lachen. Dann brach der König in lautes Gelächter aus. »Es gehört Mut dazu, ein Anliegen wie Eures vor der ganzen Stadt öffentlich zu machen«, stieß er endlich hervor. »Das gefällt mir, was immer Ihr sonst sein mögt!«
    Raoul atmete auf, sein schneller Puls beruhigte sich etwas. Lange hatte er überlegt, ob Offenheit die beste Taktik war, doch er hatte Ludwig richtig eingeschätzt.
    »Hermann von Rohrbach soll selbst entscheiden«, beschloss der König. »Er will den Winter ohnehin auf seinen Burgen verbrin gen. Ich werde ihm befehlen, Euch in Kaltenberg anzuhören. Wenn er sich einen weiteren Erben und mir einen Helm mehr ver schafft, umso besser. Eines vorausgesetzt: Wenn es wahr ist, dass ein Fluch auf Euch liegt – dann brecht ihn.«

7
    »Drecksvaganten! Dableiben, Kruzifixhalleluja! «
    Die wütende Stimme hallte über die Weide bis zum Waldrand. Innerhalb weniger Augenblicke war der Bauernhof auf den Bei nen. Anna, Falconet und Steffen kümmerten sich nicht darum. Die schnatternde, mit den Flügeln schlagende Gans unter den Arm ge klemmt, sprangen sie über den aus Ästen gefügten Zaun und such ten das Weite. Hinter ihnen rannte der Bauer aus dem Haupthaus und schwang den Ochsenziemer. Doch schon hatte sie der Wald verschluckt. Keuchend und außer Atem erreichten sie die an deren. Anna hielt sich die Seite und lachte, bis sie kaum noch Luft bekam. »Er hätte uns hängen lassen!«, brachte sie hervor. »Aber er hat uns nicht erwischt!« Falconet hob triumphierend die Gans, und die Kinder brachen in begeistertes Geheul aus.
    Anna ließ sich hinter einem umgestürzten Stamm zu Boden fal len. Ächzend streckte sie die Beine aus. Obwohl es kalt war, spürte sie den Duft der nassen Bäume stärker denn je. Das Leben vibrierte förmlich in ihrem Körper. Falconet schlug der Gans den Kopf ab und wies die Männer an, Holz zu sammeln. Er hatte den Wettstreit der Rivalen ausgenutzt, um sich selbst als Anführer zu empfehlen, inzwischen hörten alle auf ihn. Während die Kinder Eicheln rös teten und Eva die letzten Zwiebeln und Holzäpfel zusammen suchte, begann Anna das Festmahl zu rupfen. Das Wasser lief ihr im Mund zusammen.
    »Bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fuhr Steffen sie an, als sie die Federn in der Hast neben sich auf den Boden warf. »Wenn wir die verkaufen, können wir zweimal speisen wie die Kö nige!«
    Sieschnitt ihm eine Grimasse. Falconet lachte und spielte ein Liedchen auf seiner Flöte. Die anderen hockten sich dazu und sangen mit. Es war mit Händen zu greifen, wie die Gaukler im mer fröhlicher wurden, je näher sie München kamen – und damit der Aussicht auf einen warmen Platz für den Winter. Steffen warf Anna immer wieder herausfordernde Seitenblicke zu. Er wusste etwas über den Spielmann, den sie suchte. Aber er war nicht be reit, ihr zu helfen, es sei denn, sie fügte sich seinen Wünschen.
    Wütend riss sie der Gans die Federn aus. Der Winter stand vor der Tür, und Raoul war hinter ihr her. Jeder Tag auf der Straße konnte ihr letzter sein, und dieser verfluchte Lotterpfaffe dachte nur daran, wie er unter ihren Rock kam. Aber sie würde es schon aus ihm herauskitzeln, wenn auch nicht so, wie er sich das vor stellte!
    Eva kam zu ihr und sammelte die Federn ein. »Nimm es ihm nicht übel«, meinte sie und folgte ihrem Blick. »Besser, du ge wöhnst dich daran, dass unsere Regeln nicht die der anderen Stände sind.«
    »Wie stehst du das nur durch, allein mit zwei Kindern?« Schon nach wenigen Tagen hatte Anna bemerkt, dass Evas Schamlosig keit nur eine Seite war. Wenn sie abends ihren Kindern vorsang, konnte sie sogar eine zärtliche Mutter sein. Anna fragte sich, wie lange sie schon beim fahrenden Volk lebte.
    »Ich war mal ehrlich verheiratet«, antwortete Eva. »Mit einem Fleischer. Wenn er besoffen war, schlug er mich fast tot. Und er war ständig besoffen. Es ist mir lieber so, wie es jetzt ist, das kannst du mir glauben.« Sie grinste. »Soll ich dir ein Geheimnis verraten? Die Weiber, die dir was von Anstand erzählen, können bloß nicht ertragen, dass es dir besser gehen soll als ihnen. Also, wenn dir Steffen nicht völlig zuwider ist, dann nimm ihn. Deinen Ulrich wirst du sowieso nicht mehr sehen. Einmal Gauklerin, immer

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