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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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Schweiz eine Schlacht verloren, und Ludwig hat die Unabhängigkeit der Eidgenossen sofort anerkannt. Ein schlauer Bursche, was?«, wandte er sich an Anna.
    Sie wollte aufstehen, aber er hielt sie fest. Grob zog er sie wie der auf die Bank. »Hast du mich beklaut, oder warum willst du weg?«
    Anna bekam Angst. Kriegsmänner machten nur allzu oft der alltäglichen Erniedrigung durch ihre Herren auf Kosten fahren der Frauen Luft. Der Wirt kam herüber. »Sie war mir gleich ver dächtig. Ich rufe die Büttel«, erbot er sich.
    Grob schüttelte der Ritter ihn ab und schleuderte ihn gegen einen Tisch, der krachend in sich zusammenfiel. Johlend sprangen die Leute auf die Tische. Verängstigt blickte sich Anna nach Hilfe um, aber der Händler zog nur den Kopf ein. Der Ritter packte sie und warf sie gegen die Bretterwand, dass ihr die Luft wegblieb. Während Anna zu Tode erschrocken nach Atem rang, war er heran.Seine schwielige Hand hielt sie fest, und er brachte sein bärtiges Gesicht dicht an ihres. Sein Atem stank nach Bier und Zwiebeln, aber sie zwang sich, ruhig stehen zu bleiben.
    »Da ist sie!«, rief ein Kind.
    »Das Mädchen gehört zu uns«, sagte jemand. Der Ritter ließ sie los, und Anna taumelte zurück. Sie schnappte nach Luft und er kannte Eva. Hinter ihr kamen die anderen herein.
    Sie hatten sie gesucht! Anna war so erleichtert, dass sie die Gauklerin überschwänglich umarmte.
    »Du hast noch meine Jungfernsalbe«, sagte Eva. Aber sie grinste.
    Obwohl es hieß, der König hätte ein Herz für Gaukler, musste auch er den Gürtel enger schnallen. Der süße Leim des Hofes zog Vaganten aus aller Welt an wie die Fliegen: Vor den Toren der Her zogsburg unweit des Marktplatzes überbrüllten sich die hungrigen Possenreißer und bettelten in allen Sprachen um Einlass. Jeden Tag sah Anna einen neuen Gaukler mit Kusshänden über die Zug brücke spazieren, während sein Vorgänger draußen vor dem Tor mit Gesten seiner hilflosen Wut Ausdruck verlieh. Sie selbst ka men nicht herein.
    In der Nacht träumte Anna von Ulrich. Er stand hinter ihr und schob ihr Haar beiseite, um ihren Hals zu küssen, so zärtlich, wie er sie nie berührt hatte. Als er ihren Nacken streichelte, wollte sie ihn so heftig, dass es in ihrem ganzen Körper pochte. Seufzend wandte sie ihm den Kopf zu und genoss es, wie seine Lippen über ihre glitten, seinen warmen Atem auf ihrer Haut. Sie öffnete die Augen – und sah in Raouls Gesicht.
    Mit einem Schrei fuhr sie hoch. Erschrocken sah sie sich um. Über ihrem Kopf erkannte sie die Treppe eines Bürgerhauses. Der verfluchte Föhn war an dem Alptraum schuld, dachte sie. Ein wenig plagte sie das Gewissen. Immerhin hatte Raoul ihr das Leben gerettet, und sie hatte ihn an Ulrich verraten. Aber Ulrich würde einenFeind gerecht behandeln. Wusste der Teufel, wieso Raoul durch ihre Träume spukte!
    Während sie auf die Beine kam, verwünschte sie ihren Leicht sinn. Sie hatte sich von den Gauklern anstecken lassen und ihr ge rade verdientes Geld für ein Bad und Kleider, für Fleisch und Bier verjubelt. Im Treppenhaus fror sie, und ständig juckte es irgendwo. Matthäus war bei einer Verwandten untergekommen. Eva hatte den Verlust ihres Bettgenossen mit einer Gelassenheit hingenom men, die verriet, dass es nicht das erste Mal war. Anna wünschte, sie hätte auch wieder ein Dach überm Kopf.
    »Genug gefaulenzt!«, riss sie die Stimme der Hausmagd aus den Gedanken. »Ihr könnt noch mit dem Gesinde Haferbrei es sen, aber dann verschwindet!«
    Es traf sich gut, dass gerade die Zeit war, da Gaukler die Getrei dekörner am Tor aufsammeln durften. Das ganze fahrende Volk Münchens traf sich hier. Anna hielt sich an Falconet, der wie eine Haselmaus zusammenscharrte, was er bekommen konnte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Der Kaufmann, bei dem sie über nachtet hatten, hätte sie aufgenommen. Doch er hatte keinen Zweifel gelassen, was er von den Frauen als Gegenleistung dafür erwartete.
    »Wir hätten alle überwintern können!«, fuhr Steffen sie prompt an. »Aber nein – als der Kaufmann dich anfasst, fängst du an zu kreischen und ihn zu ohrfeigen! Wir sollten dich an ein Hurenhaus verkaufen!«
    »Lass sie!«, mischte sich Falconet ein. Anna war ihm dankbar dafür. Die Hoffnung, Ulrich wiederzusehen, war stärker als der Hunger. Sie hielt sie aufrecht und gab ihr Kraft. Wenn sie sie auf gab, blieb ihr nichts mehr.
    »Es ist nicht so schlimm, als Gaukler sein Geld zu verdienen«, tröstete Falconet sie,

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