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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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zurück. Sie wies hinüber, wo Knechte die Wälle mit Palisaden verstärkten. Erst jetzt fiel Anna auf, dass die bröckelnden Stellen nur noch vom Unkraut zusam mengehalten wurden.
    »Wenn sie wiederkommen, können sie hier hereinspazieren wie in einen Stall«, bestätigte Gertraut Annas Befürchtungen. Sie tipptemit dem gichtigen, schmutzgeränderten Finger gegen die morschen Dauben. »Das muss auch mal wieder geflickt werden.« Rasselnd ließ sie die Kette wieder in den Schacht gleiten. Sie wies auf Annas rot glänzendes Haar, das ihr nur von einem Band gehalten über die Schultern fiel. »Wenn du nicht willst, dass die Knechte dich ins Heu zerren, steck das unter ein Kopftuch. Schaust ja aus wie eine Gauklerin!«
    »Nenn mich nicht Gauklerin!«, fuhr Anna sie an. Schon früh hatte sie sich Spott anhören müssen, ihr wirklicher Vater sei ein unehrlicher Vagant. Umso mehr achtete die Mutter auf ihre Tu gend. Während die anderen Mädchen mit bloßen Ellbogen beim Waschen die Blicke der Männer genossen, durfte sie den Ärmel nur über die Handgelenke schieben.
    Gertraut wirkte von dem Ausbruch überrascht, dann zuckte sie die Achseln. Regina schnitt der Alten eine Grimasse, als diese für einen Moment abgelenkt wurde und den Küchenjungen an brüllte. Wider Willen musste Anna verstohlen lächeln.
    »Geh lieber zurück, ehe die Leute noch mehr über dich und den Herrn reden«, tuschelte Regina. »Es war nicht besonders klug herzukommen. Ulrich hätte dich schon verlassen sollen, als sein Vater ihn verheiratete.«
    »Es war nicht seine Idee, standesgemäß zu heiraten«, erwiderte Anna mit unterdrückter Heftigkeit. »Auch nicht die seiner Frau. Er musste seinem Vater gehorchen. Aber Liebe kann man eben nicht einfach befehlen und verbieten.« Sie wusste über Ulrichs Gemahlin Jutha nur, was die Leute redeten: dass sein Vater durch diese Ehe eine Fehde beendet hatte. Und dass die Gatten, abge sehen davon, dass sie zwangsweise Tisch und Bett teilten, nicht viel verband.
    »Dann tu mir den Gefallen und werde wenigstens nicht schwanger. Eine Schwangerschaft mit Mutterkorn abzubrechen ist lebensgefährlich. Du weißt, wie du vorsorgen kannst?« Regina zog Anna zu sich heran und flüsterte hastig: »Weidenblätter oder Kohl blütensamen,in einem kleinen Bausch aus Wolle! Führe es ein, bevor du bei ihm liegst.«
    Anna nickte, da quietschten die rostigen Torangeln. Sie blickte auf und wurde feuerrot. Hastig zupfte sie ihre braune Cotte zu recht, die wie ein nasser Lumpen an ihr klebte. Auf einmal spürte sie die Kälte nicht mehr. Der Burgherr ritt in den Hof.
    Ulrich von Rohrbach war Anfang zwanzig. Trotz des stür mischen Wetters trug er keine Kopfbedeckung, so dass man sein blondes Haar sehen konnte. Die blassblauen Augen wirkten wie immer verschleiert, was Anna vom ersten Tag an gereizt hatte. Er trug eine blaue Cotte und darüber den grünen Surcot, der vorn und hinten zum Reiten geschlitzt war. Das mit glänzendem Stoff ge fütterte Übergewand war am Hals aufwendig bestickt und wurde von einem bronzebeschlagenen Ledergürtel gehalten. Anna er tappte sich dabei, das Spiel der Muskeln unter dem feuchten Stoff zu beobachten. Mit dem schimmernden Schwert und den Metall beschlägen am Sattelzeug wirkte er, als käme er soeben vom Hof des Königs – und als wäre er unbesiegbar. Ulrich sprang aus dem Sattel und übergab die Zügel einem Reitknecht. Dann kam er mit federnden Schritten durch den Regen auf sie zu.
    Nur ein kurzer Blick, der Annas Herz einen Sprung machen ließ, verriet, dass ihr Umgang über das Schickliche hinausging. »Deine Eltern und ihr Geselle leben«, sagte er.
    »Ich danke Euch«, brachte Anna hervor. Es gelang ihr nicht annähernd so gut wie ihm, ihre Gefühle zu verbergen. Am liebs ten hätte sie ihn wieder umarmt. Martin war tot, aber wenigstens ihre Eltern lebten. Als sie gestern fast besinnungslos vor Angst in seine Arme gefallen war, hatte sie alles unzusammenhängend hervor gestoßen: der seltsame Ritter, Martin … Ulrich hatte sie beru higend festgehalten und erst losgelassen, als Gertraut nach ihrem Ellbogen griff.
    »Was den fremden Ritter betrifft«, fuhr Ulrich fort. »Es scheint so, als sei er noch in der Gegend. Die Leute haben Angst und er zählensich unheimliche Geschichten über ihn. Ihn selbst kannte niemand, aber es heißt, Heinrich von Wolfsberg sei in seinem Gefolge gewesen. Vermutlich hat er deinen Bruder getötet.«
    Anna schlug erschrocken die Hände vor den Mund. Auch wenn

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