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Die Gauklerin von Kaltenberg

Titel: Die Gauklerin von Kaltenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Freidank
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hinauf.
    Der Mautner, der von der Brücke herabkam, hatte den Mantel über den Kopf gezogen und konnte die Ladung so kaum erken nen. Er hatte es sichtlich eilig, wieder in sein Zollhäuschen zu rückkehren zu können.
    »Eine letzte Holzladung fürs Kloster Weihenstephan bei Freising«, hörte Maimun den Flößer sagen. »Immer dasselbe. Zuerst spart der Abt, und dann, wenn der Winter hart wird, sollen wir dasHolz durch dieses Wetter die Isar herunterschaffen. Drei Pfennige, wie immer?«
    Das Wasser schäumte, als der Fährmann das Floß ins Wasser schob und in die Mitte des Flusses lenkte. Das Gefährt knarrte be denklich, und das Gurgeln des Wassers war alles andere als ver trauenerweckend. Ein gewaltiger Stoß schleuderte Maimun fast zu Boden.
    »Bleibt in der Mitte!«, wies ihn der Flößer an. Besorgt sah er zum Himmel, wo von Westen her schwarze Wolkenfetzen heran zogen. »Um diese Jahreszeit kann sich der Flusslauf ständig än dern. Nach jedem Hochwasser gibt es neue Untiefen.«
    Wie um diese Worte zu bestätigen, fegte eine stürmische Bö heran. Es war beängstigend dunkel geworden. Mit geradezu un heimlicher Geschwindigkeit rasten die schwarzen Fetzen am Himmel heran und tauchten den Strom von einem Moment auf den anderen in Nacht.
    Eine Welle schlug über ihnen zusammen. Maimun klammerte sich an die Seile, die das Floß zusammenhielten. Keuchend kam er auf die Beine. Raoul atmete flach, das schwarze Haar lag tropf nass auf den Stämmen. Maimun hörte den Flößer etwas rufen.
    Der Aufprall war so heftig, dass der Maure auf die Stämme flog. Schmerzhaft schürfte die Borke seine Wange auf, die durchweich ten Kleider gefroren förmlich auf seiner Haut. Eine neue Welle schoss über sie hinweg. Mit einem Aufschrei kam er auf die Beine. Der Flößer warf ihm ein Seil zu, er fing es mit der Linken auf. Has tig begann er, Raoul an den Stämmen festzubinden. Mit den klammen, kältesteifen Fingern dauerte es eine halbe Ewigkeit. Immer wieder schlugen Wellen und Gischt über ihnen zusam men. Er hielt den Atem an und zog den letzten Knoten fest. Auf allen vieren kam er nach hinten zu dem Fährmann. »Da!«, brüllte dieser.
    Maimun folgte dem ausgestreckten Finger. Ein Baum, der ins Wasser gestürzt und von der Strömung mitgerissen worden war, warvon einer Untiefe aufgehalten worden. Armdicke Wurzeln ragten in den Fluss hinaus und hielten das Floß unerbittlich.
    Maimun nickte und tastete sich vorsichtig zu der Stelle vor. Der schlammverschmierte Wurzelballen war glitschig, und immer wieder überspülte das Wasser seine starren Hände. Jetzt sah er die Stelle, wo das Floß festhing. Er zog Raouls Schwert, das er neben seinen Patienten gelegt hatte, aus der Scheide. Mit gewaltigen Schlägen drosch er auf die Wurzeln ein. Das vollgesogene Holz knirschte. Eine neue Welle durchnässte ihn von oben bis unten. Messerscharf peitschte der Schnee ihm ins Gesicht. Wütend schlug er noch einmal zu.
    Die Wucht im plötzlichen Losschießen des Floßes war so ge waltig, dass er beinahe noch einmal auf die Stämme geschleudert wurde. Blitze zuckten um sie. Der Sturm trieb den Regen wie eine undurchdringliche Mauer vor sich her, kaum sah man noch die Hand vor Augen. Maimun hatte das Gefühl, tausend kleine Na deln stächen in seine Hand und auf seinen Rücken, doch er hielt Raouls Schwert fest.
    Es hörte so schnell auf, wie es begonnen hatte. Der Regen strömte noch, aber das Gewitter zog weiter. Allmählich wurden die Abstände zwischen Blitz und Donner länger. Unter dem sich aufhellenden Himmel hatte die Isar eine schmutzig braune Farbe angenommen. Noch immer wurden Büsche und kleine Sträucher an ihnen vorbei mitgerissen, doch das Schlimmste war überstan den.
    Maimun widerstand der Versuchung, sich zum Gebet nieder zuwerfen. Raoul war aufgewacht und hatte das Wachstuch zu rückgeschoben. Obwohl sein nackter Oberkörper dem eisigen Regen ausgesetzt war, schien er es nicht zu spüren. Orientierungs los sah er ins schmutzig graue Wasser. Er wollte sich aufrichten, hielt aber mit schmerzverzerrtem Gesicht inne. »Wo zum Teufel sind wir?«, stöhnte er, als Maimun herankam. »Du bist ja verrückt!«
    »Ich wusste, du würdest wie ein Ritter sprechen, wenn du auf wachst«,erwiderte dieser trocken. »Wir bringen dich ins Kloster Weihenstephan. Frag mich nicht, warum der Deutschherr dir geholfen hat. Ich hätte dich im Kerker faulen lassen, bis du dir dieses Kaltenberg aus dem Kopf geschlagen hättest.« Mit einer Fürsorglichkeit,

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