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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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hatten sie längst keines mehr   –, wurden sie nicht selten mit Stockhieben verjagt. Zweimal indessen trafen sie auf mitleidige Seelen: Andres spielte die Fidel, sie tanzte dazu und im Gegenzug wurden sie mit frischem Brot und Buttermilch entlohnt. Das waren Festtage, wie Agnes sie nie zuvor genossen hatte.
    Nachdem sie acht Tage umhergeirrt waren und längst bei Aalen hätten angelangt sein müssen, packte Agnes die Verzweiflung. Nichts erinnerte an den Hinweg damals mit Rudolf, alles schien ihr fremd. Die Berge waren steiler, die Wälder dunkler. Zudem schien die Gegend hier vollkommen menschenleer, kein Einödhof, keine Waldbauernkate, wo sie hätten nach dem Weg fragen können. Und der eisige Wind, der neuerdings wehte, verhieß nichts Gutes.
    Da endlich stießen sie auf einen Weiler, der inmitten von Weiden in eine Mulde gebettet lag. Andres kniff die Augen zusammen. «Nicht verlassen und nicht zerstört», murmelte er.
    Jetzt sah auch Agnes die dünne Rauchsäule, die aus einem der Häuser in den Himmel stieg. Wie schön musste es sein, jetzt in einer warmen Stube am Kachelofen zu sitzen.
    «Lass es uns versuchen», sagte sie. «Vielleicht bekommen wir ein Nachtlager. Oder sogar eine heiße Suppe.»
    Weder Viehzeug noch Menschen waren zu sehen, als sie den Dorfanger erreichten, um den sich vier kleine Anwesen gruppierten. Verunsichert blieb Agnes stehen. Nur in einem der Häuser, dem größten, wurde geheizt, die winzigen, mit Häuten bespannten Fenster ließen jedoch keinen Blick ins Innere zu. Die anderen Häuser, ebenso wie die Stallungen, standen offensichtlich leer. Dabei wirkte alles zwar ärmlich, aber unversehrt. Zumindest waren Plünderer hier ganz sicher nicht durchgezogen.
    Auch Andres schien nachzudenken. Dann zog er seine Fidel aus dem Beutel und begann leise zu spielen. Während seines zweiten Liedes öffnete sich die Haustür einen Spaltbreit und ein bärtiges Männergesicht mit verfilztem Haar kam zum Vorschein, dann eine Hand, die sie heranwinkte.
    «Wir sind Musikanten auf dem Weg nach Stuttgart», rief Agnes. «Wisst Ihr die Richtung?»
    «Kommt nur herein.» Der Mann erschien in seiner ganzen Gestalt im Türrahmen. Er war stiernackig und untersetzt und in seinem schmutzigen, geflickten Kittel eine nicht gerade Vertrauen erweckende Erscheinung. Doch jetzt lächelte er freundlich. Agnes blickte zu ihrem Gefährten, der müde nickte.
    In der düsteren Stube verbreitete ein Eisenofen in der Ecke wohlige Wärme. Dort saß in einem zerschlissenen Lehnstuhl ein zweiter Mann, schmutziger als der andere, mit jungem, bartlosem Gesicht.
    «Gott zum Gruß.» Agnes versuchte freundlich zu klingen. DerJüngere nickte zur Antwort nur, seine Augen blickten traurig an ihr vorbei.
    «Setzt Euch.» Ihr Gastgeber wies auf die Eckbank.
    «Seid Ihr die Einzigen im Dorf?», fragte Agnes.
    «Ja.» Die Augen des Älteren musterten Agnes eindringlich, verengten sich zu schmalen Schlitzen. Plötzlich bereute sie, dieses Haus betreten zu haben. So blieb sie kurzerhand mitten im Raum stehen.
    «Außer uns werdet Ihr weit und breit niemanden finden. Seitdem diese Dorfhure uns die Pest angeschleppt hat. Jetzt sind sie alle tot.»
    «Das tut mir Leid», murmelte Agnes.
    «Die Dorfhure», ließ sich der Jüngere aus der Ecke vernehmen, «war seine Tochter und eigentlich eine Soldatenhure.»
    «Nun denn, wir wollen nicht weiter stören». Agnes ging zur Tür. «Wenn ihr uns nur sagen würdet, welche Himmelsrichtung uns nach Stuttgart führt?»
    «Nach Stuttgart? Da war ich mein Lebtag noch nicht. Wir sind hier auf der Alb.»
    «Stuttgart liegt im Westen, etliche Tagesmärsche entfernt.» Der Jüngere erhob sich. «Ich mache Euch ein Angebot. Erfreut uns mit Eurer Musik, dafür dürft Ihr mit uns essen und trinken, und Platz für ein Nachtlager haben wir auch.»
    «Was für ein guter Einfall, Brüderchen. Schenk uns allen kräftig ein, und bring Brot und Käse aus der Kammer. Derweil soll der junge Bursche neues Feuerholz aus dem Schuppen holen.»
    Andres sah Agnes fragend an, deren Magen nur bei der Erwähnung von Essen zu knurren begonnen hatte.
    «Geh schon», nickte Agnes. «Ich denke, wir sollten diese großzügige Einladung annehmen. Habt vielen Dank.»
    Als Andres mit dem Korb unterm Arm zur Tür hinaus war, stellte der Jüngere, der hager und kränklich wirkte, einen Krug Wein mit vier Bechern auf den Tisch. Dann verschwand er inder Speisekammer. Agnes blickte ihm nach. Plötzlich krachte es hinter ihr. Erschreckt

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