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Die Gauklerin

Die Gauklerin

Titel: Die Gauklerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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erst durchfuhr Agnes die Erkenntnis, wer da vor ihr stand, wie ein Blitzschlag: Es war der junge Thronfolger, Kronprinz Eberhard, mit seinen beiden Brüdern. Sie senkte den Kopf und deutete einen Hofknicks an, dann lächelte sie dem Jungen geradewegs ins Gesicht.
    «Du bist schön!» Eberhards Gesicht war ernst, während er dies sagte, und Agnes vernahm das Raunen, das durch die Versammlung der Bediensteten ging. Nur von Gerlind glaubte sie ein unterdrücktes Kichern zu hören.
    «Euer Wohlgeboren haben vielen Dank. Aber ich bin nicht schön.»
    «Doch. Wenn ich das sage.» Dann grinste der Kronprinz und rannte mit der Schüssel unter dem Arm davon, verfolgt von seinen johlenden Brüdern.
    Agnes sandte ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie nicht vor aller Welt rot angelaufen war, und schickte sich an, die silbernen Vorlegeplatten einzusammeln, um sie in die Gesindeküche zu bringen. Da hielt sie der Küchenmeister bei der Schulter fest.
    «Der junge Kronprinz hat Recht», flüsterte er.
    Spätestens von diesem Tag an wagte keiner mehr, sie wie einen Maulesel herumzuscheuchen. Der Küchenmeister stellte ihr eine der Jungmägde zur Seite, die ihr das frische Wasser vom Brunnen heranschleppen musste, und erhöhte ihren Wochenlohn um einen halben Gulden. Da beschloss Agnes, sich ein neues Leinenkleid zu kaufen samt seidenem Brusttuch, was auch nur angemessen war für die Gattin eines Unteroffiziers, der ihr hin und wieder einen Teil seines Soldes zukommen ließ. Endlich war die Zeit gekommen, den anderen zu zeigen, wo der Bartel den Most holt.
    Dass sie in Stuttgart geblieben war, hatte sich also doch bezahlt gemacht. Auch wenn ihr diese Entscheidung unendlich schwer gefallen war, nach Jakobs Brief. Sie hatte sich oben auf ihrem Dachboden nächtelang in den Schlaf geweint, wie damals, als Kaspar sie verlassen hatte. Hatte in ihrem Innern nichts als diesen bohrenden Schmerz gefühlt, diesen Abgrund an Heimweh und Einsamkeit. Und dennoch hätte sie niemals nach Ravensburg zurückkehren können. Zu groß wäre die Scham gewesen. Hinzu kam, dass der Kleine in jenen Wochen an Bauchkrämpfen und immer wieder an Durchfall gelitten hatte und sie ihm die weite Reise niemals hätte zumuten können.
    Jetzt wusste sie, sie hatte recht entschieden. Gewiss würde sie sich nicht mehr lange als Spülmagd ihre Hände und ihren Rücken martern müssen. Nun hieß es geduldig den eingeschlagenen Weg weitergehen, und eines nicht zu fernen Tages würde sie aufrecht und in Ehren, statt gesenkten Hauptes, vor ihre Eltern treten können.
     
    Im Herbst gab es einen weiteren Vorfall, der darauf hinwies, dass man ihr einen gewissen Respekt entgegenbrachte. Immer häufiger trieb der Schürknecht seinen Scherz mit dem Küchenjungen, wenn der mit den beiden voll gepackten Körben aus dem Holzmagazinkam: Das Holz sei viel zu feucht, brüllte er Franz an und scheuchte ihn den ganzen weiten Weg zurück. Dabei war es nicht Franz, der die Scheite aussuchte, sondern der Knecht im Holzmagazin. Als Agnes dieses Spiel durchschaute, nahm sie dem Jungen kurzerhand die beiden Körbe ab und kippte dem Schürknecht die gesamte Ladung vor die Füße.
    «Ihr wollt uns wohl zum Narren halten? Richtet Eurem Freund im Holzschuppen aus, dass der Spaß ein Ende hat. Oder wollt Ihr, dass ich melde, wie Franz durch unnütze Gänge seine Zeit vertrödelt?»
    Die Umstehenden stießen sich in die Seite, und der Schürknecht, der nicht sonderlich beliebt war, zog den Kopf zwischen den Schultern ein. Ohne ein weiteres Wort las er die Scheite auf und stapelte sie neben den Herdstellen zum Trocknen.
    Nur wenige Tage später ließ der Küchenmeister sie an sein Pult holen.
    «Mir ist nicht entgangen, dass du neulich unserem Schreiber über die Schulter gespickt und an seinen Rechnungen herumkorrigiert hast. Er war ziemlich ungehalten über deine Impertinenz.»
    «Das tut mir Leid. Aber mir ging es keineswegs darum, den Schreiber ins Unrecht zu setzen, mir ging es nur um die richtige Summe.» Sie konnte den schnippischen Unterton in ihrer Stimme nicht ganz unterdrücken.
    Er lachte. «Das denke ich mir.» Sein Blick wanderte über ihren Hals zum Ausschnitt, den sie wegen der Hitze in der Küche längst mit keinem Brusttuch mehr bedeckte.
    «Er wird nachlässig, der Bursche. Das Beste ist, du wirst ihn und die Obermagd künftig bei den Marktgängen begleiten.»
    «Wenn Ihr das wünscht.» Agnes verzog keine Miene, doch innerlich jubilierte sie. Der Gang auf den Markt jeden Mittwoch

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