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Die Geächteten

Die Geächteten

Titel: Die Geächteten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hillary Jordan
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nach Washington, DC, möglichst ohne die bekannten Checkpoints.«
    Sie studierte die flimmernde rote Linie: eine holprige Diagonale, die in nordöstliche Richtung führte, durch Alabama nach Atlanta, durch North Carolina und in die Südwestecke von Virginia, dann weiter die I-81 an den Appalachen entlang nach North Virginia und dann östlich nach Washington. Die Fahrzeit betrug achtzehn Stunden, hinzu kamen die Stopps, von denen sie nur wenige kurze einplante. Zwei Nächte also. Morgen könnte sie schon irgendwo in North Carolina sein. Und dann, am nächsten Tag, würde sie ihn sehen. Und es wissen.
    »Audio-Aufnahme fortsetzen.« Sie atmete tief ein. »Aidan, ich bin es, Hannah. Ich habe gerade erst deine Nachrichten erhalten. Ich bin in Sicherheit, und ich werde zu dir kommen. Es gibt Dinge, die du wissen musst, wichtige Dinge, die ich dir erzählen muss, bevor du mit Alyssa sprichst. Ich bin jetzt in Mississippi, und ich werde zwei Tage bis nach Washington brauchen. Sende mir eine Adresse, und ich werde am Freitag irgendwann vor Sonnenaufgang dort sein. Bis dahin bitte ich dich, nichts von uns zu erzählen. Und was auch immer du tun wirst, erzähle bitte niemandem davon, dass du etwas von mir gehört hast, auch nicht meinen Eltern. Bitte, Aidan! Warte auf mich!«
    Ihr Gesicht ging in Flammen auf, als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte. Sie beendete die Aufnahme abrupt, bevor sie sagen konnte: Ich werde schnell fahren.

 
    SIE WARTETE ZWANZIG QUALVOLLE MINUTEN auf seine Antwort, in denen sie vor dem Fenster herumlungerte und den Parkplatz mit wachsender Unruhe beobachtete. Als das Video sie schließlich darüber informierte, dass sie eine neue Nachricht von Edward Ferrars hatte, rutschte ihr das Herz in die Hose.
    Diesmal war dort kein Bild, nur eine Audio-Nachricht, die er von seinem Port gesendet hatte. Im Hintergrund konnte sie Straßengeräusche hören. »Hannah, Gott sei Dank, dir geht es gut.« Seine Stimme war so mit Emotionen beladen, dass sie sie kaum wiedererkannte. »Aber warum hast du Texas verlassen? Du weißt, wenn sie dich kriegen, wird deine Strafe um Jahre verlängert. Sie können dich sogar ins Gefängnis stecken. Gütiger Gott, allein der Gedanke, dass du in einem solchen Loch …«
    Sie hörte eine andere Person sprechen, die ihn unterbrach. Eine Frau, aber nicht Alyssa. Die Stimme war zu weit weg, zu rau. »Es tut mir leid, Hannah, nur eine Minute«, sagte er. Und dann viel leiser: »Ja, bin ich, aber …« Die Stimme der Frau schwoll an, wurde zu einem aufgeregten Gestammel. Er beruhigte sie. »Ja, in Ordnung. Haben Sie einen Stift?«
    Hannah stöhnte frustriert auf. Aidan war ständig von Leuten umlagert, die ein Autogramm wollten oder seinen Segen oder beides. Er betete mit ihnen, legte seine Hand auf ihre Stirn, kritzelte seinen Namen auf deren Port-Bildschirme und auf die Rückseite von Quittungen, herausgerissene Zeitschriftenseiten, Rechnungen, auf Handflächen, Unterarme und was auch immer sie in seine Hand legten, während sie ihn gierig anhimmelten. Manchmal weinten sie auch. Niemals sagte er nein, nie zeigte er auch nur die geringste Ungeduld, doch jetzt konnte sie es in seiner Stimme hören, jetzt, wo er eilig Jesus bat, der Frau ein weiteres Kind zu schenken und ihren Mann vom Trinken abzuhalten.
    Hannah lief zurück zum Fenster und sah gerade rechtzeitig, wie der Lieferwagen in eine der Parklücken bog. »30 Sekunden vorspielen.« Aidan sagte gerade: »Ich würde ja sagen, bleib dort, wo du bist, und warte auf mich, bis ich komme, aber ich weiß ja nicht, ob du dort, wo du bist, sicher bist, oder wann du diese Nachricht bekommst und wie du reist. Aber eines ist sicher, du darfst auf gar keinen Fall in die Hauptstadt kommen. Da gibt es viel zu viele Checkpoints, und sie versetzen sie ständig an einen anderen Ort. Lass mich eine Minute nachdenken.« Er hielt inne.
    »Nun mach schon«, rief Hannah. Simone stieg gerade aus dem Lieferwagen. Schon bald würde sie die Treppe heraufkommen und die Tür öffnen. Was würde sie tun, wenn sie entdeckte, dass Hannah mit jemandem aus ihrem früheren Leben Kontakt aufgenommen hatte? Würde sie ihre Drohung wahr machen und sie töten? War Simone fähig, dies zu tun, jemanden zu töten, mit dem sie gerade einmal vor zwei Stunden geschlafen hatte? Hannahs Instinkt sagte ja.
    »O. K.«, sagte Aidan schließlich. »Wir machen Folgendes. Ich habe ein Wochenendhaus in Maxon, Virginia, die Adresse lautet 1105 Chestnut Street. Geh dahin. Ich

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