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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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bemerkt, als wir über die Kräfte sprachen, die einem Ort innewohnen können.
    All die unbeschwerten Gedankenspiele am Rande der Ketzerei.
    «Ich habe natürlich Eure Forschungen verfolgt», gestand sie. «So gut ich konnte, jedenfalls. Das meiste weiß ich aus Pamphleten, die Reisende in die Stadt brachten. In manchen wird behauptet, Ihr wärt der klügste Mann Europas, in anderen hingegen …»
    «Ich weiß nur allzu gut, in welchem Licht mich die anderen darstellen. Beides ist eine Verzerrung der Wahrheit.»
    «Aha. Aber alle sind sich einig, dass die Königin
sehr
viel auf Euch hält. Ist das auch so eine Verzerrung?»
    Sie saß ganz sittsam und bescheiden da und ließ ihren Blick schicklich auf ihren kleinen Händen im Schoß ruhen. Warum nur wollten
meine
Hände nicht ruhig bleiben? Ich hatte mich deshalb auf sie draufgesetzt. Auf dem Bett. Mit einem weiblichen Gast im Zimmer hätte ich nicht auf dem Bett sitzen sollen, aber sie hatte schon die einzige andere Sitzgelegenheit in Anspruch genommen.
    Die Kerzen sorgten für warmes Licht und schickten goldene Strahlen zur Zimmerdecke. Mistress Borrow beugte sich vor und kramte in ihrem Beutel.
    «Ich nehme an, Ihr kennt das hier?», fragte sie.
    Ich erhob mich, nahm das zerschlissene Pamphlet und hielt es näher an die Kerzen.
    Wichtige Neuigkeiten für jedermann
    Die Wiederkehr Christi
    Wisset, dass die Königin eine deutliche Warnung vor dem bevorstehenden Weltuntergang erhalten hat. Das Ende ist nun nahe, wie es in der Offenbarung des Johannes verkündet ist.
    Dr. Dee, der königliche Sterndeuter, wurde damit
    beauftragt vorherzusagen, wann England,
    die Heimat des neuen Jerusalems, die
    Wiederkehr unseres Erlösers erleben wird …
    Weiter las ich nicht.
    «Das ist Scheißdreck», verkündete ich. Und errötete auf der Stelle. «Bitte um Vergebung, Mistress –»
    «Herrgott. Ich bin eine
Ärztin
.» Sie rollte mit den Augen. «Die Leute schreien noch viel schlimmere Sachen, wenn man ihnen einen Fuß abschneiden muss.»
    Die Beiläufigkeit, mit der sie von Amputationen sprach, löste in mir ein gewisses Unbehagen aus. Aber darüber wollte ich nicht weiter nachdenken. Ich gab ihr das Pamphlet zurück und überlegte, ob es wohl dasselbe war, das der Mann mit den Pfauenfedern am Hut verteilt hatte, oder ob es verschiedene solcher Machwerke gab. War das nicht mehr als nur eine weitere Knospe am Baum der Fälschungen? Oder – was viel schlimmer gewesen wäre – stand etwas in den Sternen, das mir entgangen war?
    «Woher habt Ihr das?»
    «Ein Wollhändler hat es mir gegeben.»
    «Ihr solltet wissen, dass mich niemand auf Erden jemals darum gebeten hat, das Datum der Apokalypse oder der Wiederkehr Christi zu benennen.»
    «Nicht?»
    «Ihr klingt enttäuscht.»
    «Dr. John, Ihr seid der Astrologe der Königin.»
    «So sagt man.»
    Sie verfiel in Schweigen. Bestimmt würde sie gleich wissen wollen, was denn der Astrologe der Königin in Glastonbury zu schaffen hatte. Und angesichts der Ereignisse seit unserer Ankunft schien mir dieses Geheimnis nicht länger wert, bewahrt zu werden.
    Und so wartete ich, bis der nächste Donner verklungen war, und dann erzählte ich es ihr. Ohne die wahre Identität von Robert Dudley zu enthüllen, berichtete ich ihr von unserer Mission, jene Gebeine zu finden, die einst in der Gruft von König Artus lagen – ganz gleich, wessen Fleisch sie einmal umhüllt hatte.
    Ihre Erleichterung war nicht zu übersehen. Offensichtlich hatte sie weit Schlimmeres befürchtet.
    «Aber die Gebeine sind fort», platzte sie heraus.
    «Ja, aus der Abtei sind sie verschwunden.»
    «In der Stadt sind sie auch nicht mehr.»
    «Woher wisst Ihr das?»
    «Ich …» Sie zögerte einen Moment und zuckte dann mit den Schultern. «Das hat mir meine Mutter einmal erzählt.»
    «Oh?»
    «Und nun wollt Ihr mich sicher fragen, woher meine Mutter das wusste.»
    Ich schwieg. Mistress Borrow holte Luft.
    «Sie unterhielt enge Verbindungen zur Abtei. Das heißt mit dem Abt. Ich erinnere mich an den Abt, wie ich Euch ja sagte. Er war oft bei uns zu Hause. Was mein Vater, der wenig von den Männern Gottes hält, nur deswegen erlaubte, weil er sich für die Heilkunst interessierte.»
    «Es war also nur Eure Mutter, die das Vertrauen des Abtes besaß?»
    «Und was auch immer er ihr erzählte, war bei ihr vollkommen sicher aufgehoben. Sie offenbarte es weder meinem Vater noch mir, und wir lernten mit der Zeit, sie auch nicht danach zu fragen. Nur an diesem einen

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