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Die Gebeine von Avalon

Die Gebeine von Avalon

Titel: Die Gebeine von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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entstanden. Und nun war sie ihres Herzstücks ebenso wie ihres Verstandes beraubt.
    Dennoch hatte die Abtei ihren Glanz noch nicht ganz verloren. Obwohl das Dach abgerissen, das Kirchenschiff bis auf seine nackten Rippen ausgeweidet worden war und es überall aus dem zerstörten Hauptturm rankte und wucherte. Selbst in der fahlen Februarsonne glänzten die goldenen Steine noch sanft. Bei diesem Anblick begriff man, warum sich manche geweigert hatten zu glauben, dass die Abtei wirklich für immer verloren sei.
    Nur, wo waren sie heute? Der Geist dieses Ortes hatte sich verflüchtigt, und die Leute auf der Straße schienen seine materiellen Überreste nicht einmal mehr wahrzunehmen. Wusste
einer von ihnen
, was aus Artus’ Gebeinen geworden war? Nun, da Dudley so krank war, fiel mir die Aufgabe zu, das herauszufinden. Was mir sicher leichter gelänge, wenn ich im Gespräch mit einfachen Leuten geschickter wäre.
    Ich stand dort oben am Fenster und schüttelte hilflos den Kopf. Ein Mann der Bücher, ganz und gar unfähig zum Vorgeplänkel zwangloser Plauderei. Wo Dudley die Männer beeindruckt und die Frauen bezaubert hätte, würde ich nur Misstrauen erregen.
    Schritte auf der Treppe.
    Schnell wandte ich mich vom Fenster ab und schlich über die Holzdielen, denn es war sicher besser, den Doktor außerhalb von Dudleys Hörweite über seinen Zustand zu unterrichten. Doch kaum dass ich über die Türschwelle trat, war dieser Doktor schon an mir vorbei und in die Schlafkammer gerauscht.
    Ich war enttäuscht.
    Offensichtlich handelte es sich doch nicht um den örtlichen Heiler, wie ich erwartet hatte, sondern um einen richtigen
Arzt
. Langer schwarzer Umhang, die Kapuze zum Schutz gegen Seuchen tief übers Gesicht gezogen. Der massige Cowdray folgte ihm, eine schwarze Tasche aus Tuch in den Händen.
    Pisseschnüffler. Die Letzten, bei denen ich Hilfe gesucht hätte, wenn ich selbst krank gewesen wäre. Mögen sie auch Urkunden besitzen, die ihre Kenntnisse bezeugen, so haben sie dennoch keine Ahnung. Schlimmer noch, ihnen fehlt jegliches Gespür für die Heilkunst. Den meisten jedenfalls.
    Noch bevor ich etwas sagen konnte, hatte Cowdray die Tasche in der Schlafkammer abgesetzt und war wieder herausgekommen. Die Kammertür wurde hinter ihm geschlossen und von innen verriegelt. Ich stand mit Cowdray auf dem Flur und war ein wenig beschämt, da ich in meinem alten, abgewetzten Gewand wahrscheinlich für einen Bediensteten gehalten worden war.
    «Ihr werdet frühstücken wollen, Dr. Dee», sagte Cowdray. «Und macht Euch keine Sorgen. Euer Freund ist in allerbesten Händen.»
    «Dessen bin ich mir sicher», entgegnete ich.
     
    †
     
    Nachdem mir ein Dienstmädchen Käse, Brot und einen Krug Bier gebracht hatte, bat ich Cowdray und Lythgoe, zu bleiben und das Mahl mit mir zu teilen. Auf keinen Fall wollte ich, dass Cowdray dachte, ich würde auf ihn wegen seines Standes herabsehen. Niemand sollte davor zurückscheuen, sich mit mir zu unterhalten.
    Dr. John, ein ganz gewöhnlicher Mensch.
    Irgendetwas jedenfalls musste Cowdray dazu ermutigt haben, mir nun anzuvertrauen, was ihm seit unserer Ankunft mit Carew auf der Seele lastete. Er nahm die Schürze aus Sackleinen ab, setzte sich an den Tisch und brach sich ein Stück Brot ab.
    «Sucht Ihr nach etwas Bestimmtem?», fragte er.
    «Mein Fachgebiet sind alte Schriften», erwiderte ich wahrheitsgemäß. «Manuskripte und Bücher.»
    Cowdray blickte auf die Brotstücke auf seinem Teller.
    «So wie Leland?»
    Er sah mich nicht an. Natürlich musste er John Leland getroffen haben, während dieser in Heinrichs Auftrag den Westen bereiste und tatsächlich den Aufgaben nachging, die wir als Grund unseres Aufenthalts lediglich vorschoben. Für uns war die Behauptung, eine Liste der Altertümer dieser Gegend erstellen zu wollen, natürlich nur eine Tarnung, aber ich hatte nicht bedacht, wie diese Behauptung wirken mochte, angesichts dessen, was auf Lelands Arbeit gefolgt war.
    Du lieber Gott!
    «Ein wirklich angenehmer Zeitgenosse», sagte Cowdray. «Ein Gelehrter und Gentleman. Sah gar nicht so aus, wie man sich einen Todesengel vorstellt.»
    Was konnte ich dem entgegnen? Ich bezweifelte, dass Leland während seiner Reisejahre geahnt hatte, wozu die Liste der Klosterschätze nach der Kirchenreform von Thomas Cromwell benutzt werden würde. Dass sie Heinrichs neuer Wunschzettel war.
    «In Gesellschaft von Sir Peter Carew würde ich das sicher nicht erwähnen, aber hier gibt es eine

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