Die Gebrüder Kip
Schmähen und den Beleidigungen jenes Haufens von Banditen, die Großbritannien nach seinen kolonialen Strafanstalten verschickt. Jeden Morgen verließen sie das Bagno und kehrten, erschöpft von der Anstrengung und nur unzureichend mittels grober Nahrung erhalten, erst am Abend dahin zurück. Dann sachte jeder sein Feldbett zur Seite eines anderen, mit Ketten gefesselten Sträflings auf und bemühte sich – meist vergeblich – sein Elend in einigen Stunden unruhigen Schlafes zu vergessen. Brach der junge Tag an, so gingen sie, jetzt in der erstickenden Hitze des Sommers, später in der furchtbaren Kälte des Winters, aufs neue an die Arbeit, bis zu der ersehnten Stunde, wo der Tod sie einst aus diesem elenden Leben erlösen würde.
Die beiden Männer waren die Gebrüder Kip, die man vor drei Wochen nach der Strafanstalt von Port-Arthur übergeführt hatte.
Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts war Tasmanien bekanntlich von den niedrigst stehenden Völkerschaften der Erde bewohnt, von Leuten, die sozusagen auf der Grenzlinie zwischen Menschheit und Tierreich standen.
Die ersten Europäer aber, die nach dieser großen Insel kamen, waren kaum mehr wert, als jene wilden Urbewohner. Nach ihnen trafen aber Auswanderer ein. deren Fleiß mit der Zeit das traurige Land zu einer der blühendsten Kolonien umschuf.
Jener Zeit hatte Großbritannien schon eine gleichartige Anstalt in Botany-Bai an der Ostküste Australiens, des späteren Neusüdwales, gegründet. Da es nun vermuten konnte, daß die Franzosen beabsichtigten, eine ähnliche Strafanstalt auf tasmanischem Boden zu errichten, beeilte es sich, ihnen ebenso zuvorzukommen, wie das später auf Neuseeland geschah.
Gegen Mitte des Jahres 1803 landete John Bowin, der Sydney mit einer Abteilung Kolonialtruppen verlassen hatte, am linken Ufer des Flusses Derwent, zwanzig Seemeilen oberhalb seiner Mündung an einer Stelle, die »Ridens« genannt wurde. Er brachte dahin eine Anzahl Verurteilter, deren Zahl im folgenden Jahre, unter Leutnant-Colonel Collins, auf vierhundert anstieg.
Dieser Offizier verließ aber Ridens wieder und legte den Grund zu Hobart-Town am anderen Ufer des Derwent, an einer Stelle, wo ein Flüßchen Süßwasser lieferte, und im Hintergrunde der Bai Sullivan Cove, worin selbst Schiffe von großem Tonnengehalt einen vortrefflichen Ankerplatz fanden. Die neue Stadt gewann schnell an Ausdehnung, und zwischen den Wohn-und Geschäftsgebäuden, die sehr bald entstanden, erhob sich gleich zu Anfang das Bagno, das von vier hohen Mauern aus granitharten Steinen umschlossen wird.
Dreierlei Elemente trifft man in der Bevölkerung Tasmaniens an: die Freien, das sind Einwanderer, Kolonisten, die das Vereinigte Königreich freiwillig verlassen haben; Freigelassene, das sind die Deportierten, denen man auf Grund besonders guten Verhaltens einen Teil der Strafe geschenkt hatte oder deren Strafzeit abgelaufen war, und endlich die Sträflinge, das sind die Deportierten, die von der Stunde ihrer Ausschiffung an unter der Bewachung des Oberaufsehers oder Kommissars der Anstalt stehen.
Die Sträflinge umfassen wiederum drei Kategorien: 1. die zu den schwersten Strafen verurteilten Verbrecher, die im Bagno selbst wohnen müssen und unter der Aufsicht von Konstablern zu Zwangsarbeiten, besonders zur Herstellung von Landstraßen, herangezogen werden; 2. die wegen leichterer Vergehen Verurteilten – die englischen Gerichte werfen oft unverhältnismäßig hohe Strafen aus – denen es gestattet wird, ohne jeden Lohn in den Dienst der Kolonisten zu treten, die ihnen dafür geeignete Unterkunft und nach der Anstaltsvorschrift bereitete Nahrung bieten und sie des Sonntags auch zur Erfüllung ihrer kirchlichen Pflichten anhalten müssen; 3. die Verurteilten, denen es als Anerkennung musterhaften Verhaltens erlaubt ist, für eigene Rechnung zu arbeiten, und von diesen haben es manche zu einer unabhängigen Stellung und zu Vermögen gebracht. Freilich kann, trotz dahin zielender Bemühungen der Gouverneure, keiner von ihnen in der Gesellschaft der freien Bürger wieder zu seinem früheren Range aufsteigen.
Der Art waren also die ersten Maßnahmen bei der Gründung und Verwaltung der Strafkolonie, und das die verschiedenen Klassen der – männlichen und weiblichen – Gefangenen. Nach einer Mitteilung Dumont d’Urvilles, als dieser 1840 nach Tasmanien gekommen war, waren die Bestrafungen je nach der Schwere der Vergehen in folgender Weise bemessen: die einfache Rüge, die
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