Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
Vom Netzwerk:
Zimmer
gewöhnen wir uns an des Tages Gang
und nehmen Nahrung an und wohnen immer
die gleiche Einsamkeit entlang.
Und haben Hoffnung und Verwunderung
und dies zur Sorge, jenes zum Gewissen –
nur der uns einstens dringend hingerissen
der Schwung, der Schwung:
Ihr Engel, jener, der euch täglich reißt
… … … … … … … … … … … …

    O Herz, vom Leben langsam abgeschnürt,
wo du es anrührst, schließt sich eine Türe;
du hast gebetet alle Nächte: Führe
uns in Versuchung. Und du bist geführt
in alle Arme aller. Bist versucht
von allen Munden, die an Sinnen saugen,
hineingetaucht in alle Augen,
bist, wie Geruch, von Hunden angespürt.
So aufgedeckt wie ein einziges Haus
inmitten Sümpfen, wie der alte Pfahl
an dem verfeindet sich die Wege trennen,
den alle einmal, zweimal, noch ein Mal
anstarren so als müßten sie ihn kennen:
Du Aufgezeigter, wo ist eine Qual
die dich verbärge, die in ihrem Schoß
vermöchte deine Bildung zu verhalten
daß du an sie dein Antlitz grenzenlos
wegweintest in die unkenntlichen Falten.
O Mutter Qual in deinen dichten Stoffen
wo sankest du, Abtragende, zusamm,
an welcher Gramwand, welchem Blitzschlagstamm
find ich dich kauern. Laß den Mantel offen.
Ich bin zu groß. Dir werd ich wieder Kind,
ich bin zu sichtbar unter diesen Dingen,
Geliebte können mich nicht unterbringen,
die Sonne glänzt mit mir, mich bauscht der Wind.

    Daß nicht dieses länger vor mir sei,
dem versagend, ich mich rückwärts zügel:
Wege, offne, Himmel, reine Hügel,
keinem lieben Angesicht vorbei.

    Ach die Pein der Liebesmöglichkeiten
hab ich Tag und Nächte hingespürt:
zu einander flüchten, sich entgleiten,
keines hat zur Freudigkeit geführt.

    Nicht die Nächte waren irgend süßer,
als, entfernt, die große Nacht allein,
plötzlich wieder in dem Blick der Büßer
schien das nun Geteilte heil zu sein.

    An der Hingeschlafnen, Liebevollen
gab man innen sich der Trennung hin.
O die Kränkung an dem süßen Wollen
der gewillten Schläferin.

    Jedes Ding, das einen einsam kannte,
staunte her, als ob man es verstieß, –
jetzt erst weiß man, wie die Kerze brannte,
wenn man sie aus Sehnsucht brennen ließ.

    Wer den Geist der fernsten Freuden hatte,
Wesen sich aus einem Wink gewann:
wie verschüttend mutet ihn die matte
sich versichernde Berührung an

    Öfter, fühlend wie (die) unerschöpften
Fernen
    O wie fallen auch noch die geköpften
Blumen mehrend in den Überfluß
Das Elend hat ja nie auf mir bestanden,
nur daß ich es begriff, wo’s kaum geschah;
wenn ich im Frühn, wo sie so schnell verschwanden,
des Schulkinds aufgeschreckte Schultern sah,
so kam mir meine Wohnung schon abhanden,
im Zufluchtlosen stand ich da.
Der Hunde Heimweh ging auf mich enorm
anklagend über: wenn sich dürftig einer,
genau ausfüllend seines Elends Form,
hinlegte, wurde mir das Leben reiner
um seine Demut. Eine Bettlerin
vermochte mir mit ihrer stillen Hand,
in der sich sichtbar nichts befand,
aus meinem Angesicht, aus jedem Sinn
die Welt zu nehmen, daß sie nicht bestehe:
wo ist sie denn, wenn ich sie dort nicht sehe,
wo Hunger ist nach einem Gegenstand.
Ich wurde manchmal im Vorübergehn
die Wände inne, die uns stumm begleiten,
und sah erstarrt, wie auf den beiden Seiten
von Gittern die Gefangenen entstehn.
In frohen Wiesen einer Blume Knick,
verfolgter Vogel, der in mattem Bogen
sich überwarf, schon war vor meinem Blick
das Schleusentor des Stromes aufgezogen
und donnernd überstürzte sich Geschick.
O daß ich doch, wenn du das Aug erhobst,
so findig sei, sofort, vor aller Rede,
in deinem ersten großen Aufschaun jede
Lust zu verstehn, wie man der Schale Obst
am Frühstückstisch den ganzen Sommertag
aufeinmal ansieht, sicher, bis in seine
selige Nacht. Nicht nur wie ein Betrag
sei mir die Freude vorgezählt. Sie weine
sich an mir aus. Denn was ist Seligkeit,
stürzt sie nicht völlig aus dem kleinsten Winke.
Im Weltgerichte müht sich Gottes Linke,
die Rechte aber ruht nur auf dem Kleid.

    Ist dort nicht Lächeln? Siehe, steht dort nicht
in Feldern, die von Fülle übergingen,
was wir zu einem kleinen Aufblühn bringen,
wenn wirs bemühn in unser Angesicht?

    Nächtiges niegekonntes Notenblatt:
die deine Grenzen greift, wo ist die Spanne?
Die Stimme wo, die deine Gipfel hat?
Und deines Abgrunds Baß in welchem Manne?

    Ist uns nicht mehr gegeben, bis dorthin
des Wesens reine Wallung fortzupflanzen,
wo einig sich ein Überfluß von Sinn
beseligt in verständigten Distanzen?

    Dort mündete, nach Sturz

Weitere Kostenlose Bücher