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Die Gedichte

Die Gedichte

Titel: Die Gedichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Häusereck

    Graue Liebesschlangen hab ich aus deinen
Achselhöhlen gescheucht. Wie auf heißen Steinen
liegen sie jetzt auf mir und verdauen
Lust-Klumpen

    Die Jugend haben – , oder Jugend geben –
gleichviel wozu man sich entschließt:
denn ewig unverlierbar ist das Leben,
wo es aus reinen Kräften sich vergießt.

    Nicht daß uns, da wir (plötzlich) erwachsen sind
und plötzlich mit-schuldig an unvor-
denklicher Schuld der Erwachsenen; Mitwisser plötzlich
aller Gewissen – , nicht daß uns dann ein Häscher errät
und handfest hinüber zerrt und zurück
ins vergangne Gefängnis, wo von der Zeit nur
Abwässer sind, die weggeschüttete Zukunft,
draus eine Welle manchmal mit fast ihm
entgangener Hand der Gefangene aufhebt, sie über den kahlge-
schorenen Kopf hinschüttend wie irgendein Kommen,
– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –
das nicht [ist unser Ärgstes,]; sondern die Kerker von früh an
die sich aus unserem Atem bilden, aus einer zu zeitig
verstandenen Hoffnung, aus selber
unserem Schicksal. Aus der noch eben
rein durchdringlichen offenen Luft, aus jedem Geschauten.

    Wie so mag ein Mädchen auf einmal durch Gitter
seiner Noch-Kindheit den Liebbaren sehn, getrennter
als in Legende. Ihm gegenüber
aufschaun, um ins Vorfrauliche traurig
abzugleiten von ihm.
O der Getrennten sind mehr. Jahrzehnt und Jahrtausend
von Gesicht zu Gesicht. Und zwischen Erkannten
steht vielleicht im Kerker der Kindheit das besser,
das unendlich berechtigte Herz.

    [Mann, sei wie ein Engel,
wenn die Begegnung geschieht und es geht noch das Mädchen
eingelassen einher im Gleichnis der Kindheit.
[ Nicht ein Begehrender, welcher bestünde ]
Sei wie ein Engel. Laß sie nicht rückwärts. Weiter
gieb ihr die Freiheit. Über das bloße
Lieben gieb ihr die Gnade der Liebe. Bewußtsein
gieb ihr der Ströme. Kühnheit der Himmel
stürze um sie. Durch den empfundenen Herzraum
wirf ihr die Vögel]
[Kerker unsägliche, unvermutete Kerker]

    Rühre einer die Welt: daß sie ihm stürze ins tiefe
fassende Bild; und sein Herz wölbe sich drüber als Ruh.
    (stehend stunden auf der Elektrischen mit lauter
schlechtes Blut ausschlagenden Hinterhälsen vor
mir, hab ich mir einen solchen Haß gegen
Nacken zugezogen, daß … … … … … … .)

    Haßzellen, stark im größten Liebeskreise
daß ihr des tiefen Giftes nichts verlört
in der unendlich zugegebnen Weise
sei unerkannt Unendliches empört.

    Seht wie dem eingeschwungnen Widerstande
Brüllen und Ruck entringt, entreißt
doch ein Umfangen nimmt sie an vom Rande
und, was zu widerlegen schien, beweist.

    Gequältes Kind, geschwenktes, durch Grimassen,
das an ein fremdes Muttermal gerät –
O nicht die Tür, die Zimmerwand, die Gassen
und Luft, die dich stumm und unstet belädt,

    nicht dieser Karrn vorüberfuhr geheimer,
nicht diese traumentflossene Gestalt,
ach, Mut zu haben zu dem Abfalleimer,
zur abgestoßnen Ecke die Einfalt.

    Schlechtester Stuhl, entlassenes Geländer
Raum unterm Küchenschrank, wer dich erwägt?
Und daß den tragenden, den Kleiderständer,
auch ihn, ein Stern, die Erde trägt.

    Wer weint mit diesem Kerzenrest? Ist schwinden
nicht groß genug an diesem Gegenstand?
Du sahst bei dieser Kerze deine Hand;
in welchem Schein wirst du sie wiederfinden?

    Ach dies Gedräng in deinen Blick. Wer hat
in dich gerufen? bist du ein Theater?
Du Hohles, Offnes: in dir steht dein Vater
und starrt enttötet in die volle Stadt.

    Wir sind wie Keile Unterwelt hinein
in dichtes Sicht – Unsichtbares getrieben.
Und schon verbiegt sich unser Lieben
an Hüten und an Häuserreihn.

    Hab teil an mir, du einstige Tapete
an der ich starrte, fieberernstes Kind.
Wenn ich mich endlich weg ins Zimmer drehte,
warst du in mir, mehr, als die Adern sind.

    Und solltest nicht? Wer weiß an deinen Streifen
glitt mir entlang das Lächeln, das zutiefst
in mich verfand. O welche Schmerzen reifen
an den Spalieren, die du blaß verliefst.

    Gewagter Bau der innersten Gebäude,
innerster Fenster Blindheit oder Schau,
innerster Gärten Ablaß, Abendfreude
und Dauerung bis Tau und Morgengrau.

    Innerster Stille Statuen: aus blauen
Nachtsteinen, die der Pfau mit Schrei bedroht:
Rumpfräume, reiner Kopfraum, den kein Schauen
hinüberzerrt ins unheilbare Rot,

    in euch bewohnen wir die Welt. Zerbricht
ein Glas noch ist es nicht in euch zerbrochen,
doch vielleicht fällt es auch in euch nach Wochen
und zieht uns einen Sprung ins Angesicht.

    Wir haben nichts, als was

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