Die Gedichte
und entgehst.
Kamst lange. Bist lange vorbei.
Wer von uns ist gestorben?
daß wir uns so mit Erinnern
trösten? Legst du mir deinen
Spiegel, Mädchen, aufs Grab?
Oder bist du schon selber
wie die Entwandelten leicht?
Daß du mir mitten durchs Zimmer
gehst? Und ich fasse dich nicht?
Siehe, da spiel ich dir nun
diese staunenden Strophen.
Und erfinde dich mir.
Denn du bist nicht. Nichtwahr?
So wie ich ja nicht bin.
Denn ich wohne, du weißt es, im Innern,
wo es nicht Greifbares giebt.
Aber Winken ist süß.
Und ein Wink nicht in Luft.
In deinem umziehenden Atem
wink ich. (Reg ich ihn auf?
Hat er sich sanfter gelegt?)
SEELE IM RAUM
Hier bin ich, hier bin ich, Entrungene,
taumelnd.
Wag ichs denn? Werf ich mich?
Fähige waren schon viel
dort, wo ich drängte. Nun wo
auch noch die Mindesten restlos Macht vollziehn,
schweigend vor Meisterschaft – :
Wag ichs denn? Werf ich mich?
Zwar ich ertrug, vom befangenen Körper aus,
Nächte; ja ich befreundete
ihn, den irdenen, mit der Unendlichkeit;
schluchzend
überfloß, das ich hob,
sein schmuckloses Herz.
Aber nun, wem zeig ichs,
daß ich die Seele bin? Wen
wunderts?
Plötzlich soll ich die Ewige sein,
nicht mehr am Gegensatz haftend, nicht mehr
Trösterin; fühlend mit nichts als
Himmeln.
Kaum noch geheim;
denn unter den offenen
allen Geheimnissen eines,
ein ängstliches.
O wie durchgehn sich die großen Umarmungen. Welche
wird mich umfangen, welche mich weiter
geben, mich, linkisch
Umarmende?
Oder vergaß ich und kanns?
Vergaß den erschöpflichen Aufruhr
jener Schwerliebenden? Staun,
stürze aufwärts und kanns?
KLEINE GEGENGABE
INS GEMÜT DER SCHLÄFERIN
Landschaft des Traumes. Tränensturz im Traum.
O Wirklichkeit im Herzenszwischenraum.
Wie Perlenstickerei, wie unter Glas
bei Tag. Wohin versank es? Wo geschahs?
Verwandlung, ach: ich Tränenfall und er?
Enthielt er mich, viel klarer als vorher?
Glänzt mir aus ihm des Weinens Widerschein?
Und war es, weil ichs weinen mußte, mein?
Warum denn ich? Warum denn der? Warum
auf einmal leitend zwischen uns der Engel? …
Erwachen: offenes Herbarium
für meines Schlafes Blüte, Blatt und Stengel.
Nur zu Verlierern spricht das Verwandelte. Alle
Haltenden würgen.
FRAU NORA ALLATINI
Was wünsch ich füglich der Erfinderin
so manchen Einbands an dem Werkstatttische?
Daß sie sich, gleich der Blumenbinderin,
am schön verbundnen Blätterwerk erfrische.
Und daß der Zwang, den sie den Blättern tut,
wie es im Kranz geschäh, in gleicher Weise,
nun in ihr selbst, in ihrem eignen Blut
als Schwung und Zuwachs rein und heiter kreise.
AN DIE MUSIK
Musik: Atem der Statuen. Vielleicht:
Stille der Bilder. Du Sprache wo Sprachen
enden. Du Zeit,
die senkrecht steht auf der Richtung
vergehender Herzen.
Gefühle zu wem? O du der Gefühle
Wandlung in was? – : in hörbare Landschaft.
Du Fremde: Musik. Du uns entwachsener
Herzraum. Innigstes unser,
das, uns übersteigend, hinausdrängt, –
heiliger Abschied:
da uns das Innre umsteht
als geübteste Ferne, als andre
Seite der Luft:
rein,
riesig,
nicht mehr bewohnbar.
Wie Kindheit nach uns langt und sich beruft,
daß wir das waren, die sie ernstgenommen.
Zwar haben wir uns von ihr fortgestuft,
doch sie stieg mit und kann unendlich kommen
aus jedem Zögern zwischen uns und den
uns zugetrauten und doch fremden Dingen.
Sagt nicht die Stimme, daß wir nur bestehn,
weil wir im Kindsein maßlos untergingen?
Von dorther einzig sind wir anverwandt
dem ganzen Ahnen und der Überlegung
entwachsen, die uns eng zu leben zwingt.
Sind Stelle, wo sich Herz und Stern durchdringt,
und irgendwie geliebter Gegenstand
in einer Welt aus Vorrat, Nacht und Regung.
Da vieles fiel, fing Zuversicht mich an. /
Die Zukunft gebe, daß ich darf. / Ich kann. /
FÜR LOTTE BIELITZ
Schwer ist zu Gott der Abstieg. Aber schau:
du mühst dich ab mit deinen leeren Krügen,
und plötzlich ist doch: Kind sein, Mädchen, Frau –
ausreichend, um ihm endlos zu genügen.
Er ist das Wasser: bilde du nur rein
die Schale aus zwei hingewillten Händen,
und kniest du überdies – : Er wird verschwenden
und deiner größten Fassung über sein.
Gott läßt sich nicht wie leichter Morgen leben.
Wer einfährt in den Schacht, der hat der vollen
Erde Gefühl um Werkschaft aufzugeben:
der steht gebückt und lockert ihn im Stollen.
Natur ist glücklich. Doch in uns begegnen
sich zuviel Kräfte, die sich wirr bestreiten:
wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten?
Wer weiß zu scheinen? Wer
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