Die Gedichte
die Wege vollzog? Willst du mein knieendes Knie?
Weiß ich denn, was mir geschah? – Es verschlang mich die Welle,
oder ein Feuer ging um und war größer als sie.
Oder war es der Blitz? Oder fiel ich vom Wagen?
Drang ein Gift in mich ein, oder stieß mich ein Tier?
Hat die Erde an mich –, hab ich an die Erde geschlagen?
Nimm mich ganz an dein Bild: Vielleicht siehst du’s an mir.
Tränenkrüglein
Andere fassen den Wein, andere fassen die Öle
in dem gehöhlten Gewölb, das ihre Wandung umschrieb.
Ich, als ein kleineres Maß, und als schlankestes, höhle
mich einem andern Bedarf, stürzenden Tränen zulieb.
Wein wird reicher, und Öl klärt sich noch weiter im Kruge.
Was mit den Tränen geschieht? – Sie machten mich schwer,
machten mich blinder und machten mich schillern am Buge,
machten mich brüchig zuletzt und machten mich leer.
Wir sind nur Mund. Wer singt das ferne Herz,
das heil inmitten aller Dinge weilt?
Sein großer Schlag ist in uns eingeteilt
in kleine Schläge. Und sein großer Schmerz
ist, wie sein großer Jubel, uns zu groß.
So reißen wir uns immer wieder los
und sind nur Mund. Aber auf einmal bricht
der große Herzschlag heimlich in uns ein,
so daß wir schrein –,
und sind dann Wesen, Wandlung und Gesicht.
SHAWL
O Flucht aus uns und Zu-Flucht in den Shawl,
und, um die stille Mitte, das Begehren,
es möchte noch einmal und noch einmal
die unerhörte Blume wiederkehren
die sich vollzieht im schwingenden Geweb
SHAWL
Wie, für die Jungfrau, dem, der vor ihr kniet, die Namen
zustürzen unerhört: Stern, Quelle, Rose, Haus,
und wie er immer weiß, je mehr der Namen kamen,
es reicht kein Name je für ihr Bedeuten aus –
… so, während du sie siehst, die leichthin ausgespannte
Mitte des Kaschmirshawls, die aus dem Blumensaum
sich schwarz erneut und klärt in ihres Rahmens Kante
und einen reinen Raum schafft für den Raum . . :
erfährst du dies: daß Namen sich an ihr
endlos verschwenden: denn sie ist die Mitte.
Wie es auch sei, das Muster unsrer Schritte,
um eine solche Leere wandeln wir.
ZUEIGNUNG AN M… .
geschrieben am 6. und 8. November 1923
(als Arbeits-Anfang eines neuen Winters auf Muzot)
Schaukel des Herzens. O sichere, an welchem unsichtbaren
Aste befestigt. Wer, wer gab dir den Stoß,
daß du mit mir bis ins Laub schwangst.
Wie nahe war ich den Früchten, köstlichen.
Aber nicht Bleiben
ist im Schwunge der Sinn. Nur das Nahesein, nur
am immer zu Hohen plötzlich das mögliche
Nahsein. Nachbarschaften und dann
von unaufhaltsam erschwungener Stelle
– wieder verlorener schon – der neue, der Ausblick.
Und jetzt: die befohlene Umkehr
zurück und hinüber hinaus in des Gleichgewichts Arme.
Unten, dazwischen, das Zögern, der irdische Zwang,
der Durchgang
durch die Wende der Schwere –, vorbei: und es spannt
sich die Schleuder,
von der Neugier des Herzens beschwert,
in das andere Gegenteil aufwärts.
Wieder wie anders, wie neu! Wie sie sich beide beneiden
an den Enden des Seils, diese Hälften der Lust.
Oder, wag ich es: Viertel? – Und rechne, weil er sich weigert,
jenen, den Halbkreis hinzu, der die Schaukel verstößt?
Nicht ertäusch ich mir ihn, als meiner hiesigen Schwünge
Spiegel. Errat nichts. Er sei
einmal neuer. Aber von Endpunkt zu Endpunkt
meines gewagtesten Schwungs nehm ich ihn schon in Besitz:
Überflüsse aus mir stürzen dorthin und erfülln ihn,
spannen ihn fast. Und mein eigener Abschied,
wenn die werfende Kraft an ihm abbricht,
macht ihn mir eigens vertraut.
FÜR MAX PICARD
Da stehen wir mit Spiegeln:
einer dort … … , und fangen auf,
und einer da, am Ende nicht verständigt;
auffangend aber und das Bild weither
uns zuerkennend, dieses reine Bild
dem andern reichend aus dem Glanz des Spiegels.
Ballspiel für Götter. Spiegelspiel, in dem
vielleicht drei Bälle, vielleicht neun sich kreuzen,
und keiner jemals, seit sich Welt besann,
fiel je daneben. Fänger, die wir sind.
Unsichtbar kommt es durch die Luft, und dennoch,
wie ganz der Spiegel ihm begegnet, diesem
(in ihm nur völlig Ankunft) diesem Bild,
das nur so lang verweilt, bis wir ermessen,
mit wieviel Kraft es weiter will, wohin.
Nur dies. Und dafür war die lange Kindheit,
und Not und Neigung und der tiefe Abschied
war nur für dieses. Aber dieses lohnt.
SIEBEN ENTWÜRFE AUS DEM WALLIS
oder
DAS KLEINE WEINJAHR
Geschrieben für den Freund und Gast-Freund,
als ein kleiner weihnachtlicher Ertrag seines
Schloß-Gutes zu Muzot
(1923)
Le souvenir de la neige
d’un jour à
Weitere Kostenlose Bücher