Die Gefährtin Des Lichts erbin2
gesehen.
Jetzt hatte ich es nach der Erinnerung dieses kurzen Blicks nachgebaut. Morgendliche Nebelschwaden zitterten in der Luft. Ich erinnerte mich, dass der große, kastenartige Umriss auf der anderen Seite des Gartens ein Haus war. Allerdings konnte ich nicht erkennen, ob es meins oder das der Nachbarn war. Dazu musste ich es riechen, oder meine Schritte zählen. Ich hatte alles wieder aufgebaut.
Außer ... Menschen. Ich stand auf und lauschte. Noch nie hatte ich das Dorf um diese Tageszeit so still erlebt. Es gab immer Hintergrundgeräusche — Vögel, Ziegen im Hof, ein Neugeborenes, das lärmte. Hier war nichts.
Ich spürte, wie die Luft um mich herum erzitterte. Es fühlte sich wie kleine, ringförmige Wellen an.
»Mein Zuhause«, flüsterte ich. »Mein Zuhause. Ich bin Zuhause. Es ist echt.«
Es gab keine Wellen mehr.
Echt, aber unglaublich zerbrechlich. Jetzt wusste ich: Ich war immer noch an diesem dunklen Ort. Ich hatte lediglich eine Sphäre erschaffen, die mir half, bei Verstand zu bleiben. Eine Art Luftblase. Ich musste ihre Echtheit ständig bestätigen und daran glauben, um weitermachen zu können.
Zitternd ließ ich mich wieder auf die Knie nieder und vergrub meine Finger in der feuchten Erde. Ja, so war es besser. Auf die kleinen Dinge, die weltlichen Dinge, konzentrieren. Ich hob eine Handvoll Erde hoch und atmete ihren Geruch ein. Meinen Augen konnte ich nicht vertrauen, aber dem Rest ... ja. Dem konnte ich vertrauen.
Doch plötzlich war ich müde. So müde hätte ich gar nicht sein dürfen. Ich drückte den Schmutzklumpen zusammen und bemerkte, dass ich wegnickte und meine Augenlider schwer wurden. Ich hatte zwar nicht viel geschlafen, aber das konnte nicht die Ursache hierfür sein. Ich befand mich an einem fremden Ort und war völlig verängstigt. Die Anspannung aufgrund der Angst hätte dafür sorgen müssen, dass ich nicht müde wurde.
Bevor ich diesem neuen Rätsel auf den Grund gehen konnte, gab es wieder ein seltsames, wellenförmiges Zittern. Dann brannte plötzlich furchtbarer Schmerz hinter meinen Augen. Ich schrie auf, beugte mich rückwärts und schlug meine schmutzigen Hände vors Gesicht. Meine Konzentration hatte ich verloren. Während ich schrie, spürte ich, wie die falsche Nimaro-Blase um mich herum zerplatzte. Als die widerwärtige, leere Dunkelheit hereinströmte, löste sie sich in Nichts auf.
Und dann ...
Ich landete so hart auf einer festen Oberfläche, dass mir die Luft aus den Lungen gepresst wurde.
»Da bist du ja endlich«, sagte eine kalte Männerstimme. Sie kam mir bekannt vor, aber ich war unfähig, zu denken. Hände berührten mich, drehten mich um und schoben mir das Haar aus dem Gesicht. Ich versuchte, mich loszureißen, aber das vertrug sich nicht mit dem entsetzlichen Schmerz in meinen Augen und meinem Kopf. Ich war zu müde, um zu schreien.
»Ist mit ihr alles in Ordnung?« Das war eine Frauenstimme, die sich irgendwo hinter dem Mann befand.
»Ich bin mir nicht sicher.«
Die Worte fühlten sich wie Gotteswörter an und klatschten gegen meine Ohren. Ich bedeckte meine Ohren mit den Händen, stöhnte und wünschte, sie würden endlich alle schweigen.
»Das ist nicht die übliche Orientierungslosigkeit.«
»Hmm, nein. Ich glaube, das ist eine Nebenwirkung ihrer eigenen Magie. Sie hat sie benutzt, um sich vor meiner Macht zu schützen. Faszinierend.« Er wandte sich von mir ab. Ich konnte seine Selbstgefälligkeit wie einen schmutzigen Stoff auf meiner Haut spüren. »Da hast du deinen Beweis.«
»In der Tat.« Sie klang ebenfalls zufrieden.
Dann wurde ich ohnmächtig.
8
»Licht enthüllt«
(Enkaustik auf Leinwand)
Ich erwachte langsam und hatte erhebliche Schmerzen.
Ich lag lang ausgestreckt. Schwere Decken aus weichem Leinen und kratziger Wolle waren über mich gebreitet. Ich lauschte eine Weile, atmete und versuchte, alles einzuordnen. Ich befand mich in einem recht kleinen Zimmer. Mein Atmen klang nah, aber nicht so nah, dass es beengend wirkte. Ich roch verbrauchtes Kerzenwachs, Staub, mich und den Weltenbaum.
Der Geruch des Letzteren war sehr stark. So stark hatte der Baum noch nie gerochen. Die Luft war erfüllt von dem Duft seiner unverwechselbaren Harze und dem hellen, scharfen Grüngeruch seines Blätterdachs. Der Baum verlor seine Blätter im Herbst nicht — für diese Tatsache waren wir in der Stadt darunter äußerst dankbar —, aber er warf seine beschädigten Blätter hin und wieder ab. Vor der
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