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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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bei ihr geblieben? Aus Schuld?«
    »Nein, nein«, sagte er hastig. »Nicht aus Schuld, sondern aus Trotz. Beweisen wollt ich ihr, dass ich ein guter Kerl bin … trotz allem.«
    Sie schwiegen. In der Ferne kläffte wieder ein Hund. Irgendwo dort wachte Aurel – er wachte ja meistens, schlief so gut wie nie, schlief nicht wie Raymonda, die ihren Leib an Emy presste, um seine Wärme zu suchen. Vielleicht wurde jener davon wach, strich ihr über das Gesichtchen, dachte gar nicht daran, sich zu vergewissern, dass sein Weib noch da war. Erst am Morgen würde er es bemerken.
    »Weißt du, Alaïs«, murmelte Ray, »die Freiheit hat viele Gesichter. Das Schönste ist die Ungebundenheit. Das Hässlichste das Fehlen aller Sicherheit. Mögest du niemals in diese Fratze sehen. Und dennoch: Es wäre mir sogar lieber, du würdest diese Fratze ertragen müssen, als ständig nur Aureis Gesicht.«
    Aläis löste sich aus seinem Griff. »Ich wusste, dass Mutter ihn nicht mochte, aber nicht, dass es dir auch so geht. Neidest du ihm, dass er ein guter
Cyrurgicus
ist und du nie einer werden konntest?«
    Ray lachte auf, doch es klang gepresst, nicht leicht wie sonst. »Wenn’s nur ums Mögen geht, dann mag ich ihn sogar sehr gerne. Und würde ihn noch lieber mögen, wäre er nur weit genug fort von dir.«
    Er neigte sich vor, doch er packte sie nicht wieder an den Schultern, nahm stattdessen ihr Gesicht, um es an seine Brust zu pressen, an ihren Haaren zu riechen. Sie dachte an den Abschied von Caterina, damals, nachdem sie die Burg von Comte Henric de Robessard verlassen hatten. Sie hatte geglaubt, jener Abschied würde für immer währen, und doch war sie Caterina wieder begegnet, als sie schwanger und an Emys Seite nach Saint – Marthe zurückgekehrt war.
    Nur Ray, das wusste sie plötzlich, obwohl ihre Zukunft selten so leer und bilderlos vor ihr stand wie in diesem Augenblick, nur Ray würde sie nicht wiedersehen.
    »Du willst nicht, dass ich ihm folge, und gibst mir doch deinen Segen?«
    »Ich gebe den Segen dir, nicht ihm.«
    Wieder presste er sie an sich, und sie fragte sich, ob auch er ein Gebet murmeln würde, wie Caterina es getan hatte. Doch kein Laut kam aus seinem Mund. Wieder kläffte in der Ferne ein Hund, wieder lallte ein Betrunkener.

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XXVII. Kapitel
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    Aurel hatte von einer kleinen Welt innerhalb der großen gesprochen, und genau das war das Schiff.
    In manchem war es ein Abbild von Saint – Marthe, denn es waren immer dieselben Gesichter, denen man begegnete, und man gewöhnte sich an die Eigenarten der Menschen: Da gab es den Koch, der mit seinen Hühnern redete, die steuerbord in Käfigen eingesperrt waren, die gleich neben den Zwiebeln hingen. Ob die Hühner deswegen so empört gackerten oder wegen des stürmischen Seegangs, war nicht auszumachen. Da gab es den hinkenden Logbuchschreiber, der gern die Nase rümpfte – vorzugsweise über schlichte Männer, die nicht zu schreiben verstanden wie er. Da gab es unglaublich kräftige Männer, die am Morgen der Abreise mit Hilfe von Bauchgurten und einem Hebebaum Pferde aufs Schiff geschafft und dies so leicht hatten aussehen lassen, als hätten sie die Tiere notfalls auch einfach schultern können. Ein Pferdeknecht wachte über die Tiere, und man sagte ihm nach, dass er sie allein durch den Klang seiner Stimme beruhigen oder antreiben, zum Fressen oder zum Stillstehen bringen konnte.
    Ja, es war eine überschaubare Gesellschaft – und doch empfand Alaïs sie auch nach einigen Tagen noch als erfrischend und bunt. Das lag an Pio Navale, der regelmäßig den Hauptmast Umschrift, der die Rah mit dem Großsegel trug, stolz daraufblickte und bei jedem zweiten Schritt zu stolpern drohte. (Die Matrosen erzählten sich lachend, er sei einige Male bereits tatsächlich gefallen, was bei seinem unachtsamen Blick kein Wunder war.) Das lag an Bianca, die ihrem Tag zwei Tätigkeiten widmete: zum einen dem Trachten, aus ihrer Kajüte, die über den Lagerräumen und der Küche und unter der des Steuermanns lag, einen Raum zu machen, der dem ihres Florentiner Palazzos weitgehend glich. Zum anderen rieb sie ihr Gesicht mit Mandelmilch ein, um es weiß zu halten und um dem salzigen Wind, der durch die Ritzen wehte, einen süßlichen, lieblichen Duft entgegenzusetzen. Und es lag auch an Simeon, dem Juden, der Navale begleitete, ein ebenso schwarzäugiger wie schwarzhaariger Mann, der stets mit leicht geducktem Kopf durchs Leben ging und darauf achtete, nirgendwo anzustoßen. Er

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