Die Gefährtin des Medicus
wussten.
Aurel und sein Bruder blieben dem Begräbnis fern, was – wie Caterina später bekundete – Anstand und Scheu auch so geboten.
Obwohl Alaïs es ungerecht fand, ihm Louises Tod anzulasten, glaubte sie wie die Mutter, dass der
Cyrurgicus
aus ebendiesen Gründen den Kreis der Trauernden mied. Umso erstaunter war sie, ihm wenig später auf jenem Marktplatz zu begegnen. Er war alles andere als kleinlaut, sondern blickte ihnen forsch entgegen, als habe er nur darauf gewartet, bis die leidige Ablenkung vorbei wäre und die Aufmerksamkeit der Dorfbewohner ihm allein gehören würde.
Nun stellte sich auch heraus, warum er in Saint – Marthe geblieben war – und was sein Bruder Emy dagegen einzuwenden hatte. Letzterem erschien es wohl pietätlos, Aurel hingegen als alltäglich, unvermittelt seine Künste als Medicus und
Cyrurgicus
anzupreisen und die Menschen nach den Wehwehchen zu fragen, von denen sie womöglich geplagt wurden.
»Dass er es wagt …«, zischte Caterina. »Ausgerechnet heute!«
Die Menschen traten in einem Kreis um ihn und glotzten ihn an. Bei einigen geriet der Blick vorwurfsvoll – die arme Louisewar tot und er wollte sich seiner Künste rühmen? –, bei anderen hingegen stahl sich Bewunderung hinein, ein Zeichen, dass nicht alle Caterinas harsches Urteil teilten. Schließlich hatte Louise immerhin einen ganzen Tag länger gelebt hatte als zu erwarten stand. Und war nicht auch ihr Kind gesund und munter?
Eine von Louises Töchtern hatte das Kleine zuvor zur Beerdigung mitgeschleppt, und es hatte fortwährend gegreint, weil ihm der mütterliche Busen fehlte und es mit dem Finger des Mädchens, den ihm diese hilflos in den Mund schob, nichts anzufangen wusste. Eben war beschlossen worden, dass Régine, die erst vor wenigen Monaten wieder ein Balg geworfen hatte, das Kindlein säugen sollte. Seitdem greinte es nicht mehr, sondern schmatzte gierig – was folglich hieß, es würde überleben.
So geschah es, dass just in dem Augenblick, als Régine auf Aurel zuschritt, ihn ankläffte, ob er nicht schon genug angerichtet habe, ihr die alte Bethilie in den Rücken fiel und von Schmerzen im Arm faselte, die sie peinigten.
»Seit wann hast du Schmerzen im Arm?«, fuhr Régine sie an, als wäre die Tatsache, dass Bethilie dergleichen geheim gehalten hatte, eine noch größere Zumutung, als die Dienste des
Cyrurgicus
in Anspruch zu nehmen.
»Seit halben Ewigkeiten. Aber wer interessiert sich schon für meine Leiden?«, nuschelte Bethilie gekränkt.
Niemand, dachte Alaïs.
Régine schwieg betroffen.
Aurel fragte indes ernsthaft: »Welcher Art sind diese? Und habt Ihr lediglich Schmerzen oder kommen dann und wann auch Krämpfe hinzu? Haben sie sich schleichend eingestellt oder habt Ihr Euch womöglich am Arm verletzt?«
Bethilie zögerte und entschied sich dann vermutlich für das, was in ihren Ohren am schlimmsten klang. Ob es tatsächlich so war, bezweifelte Alaïs.
»Krämpfe«, erklärte sie und verzerrte ihr Gesicht, als würde sie von diesen gerade übermannt. »Schlimme Krämpfe.« Hastig fügte sie hinzu: »Muss ich zahlen, wenn Ihr mich dagegen behandelt?«
»Krämpfe können gefährliche Folgen haben«, hub Aurel zu dozieren an. »Einzelne Glieder könnten absterben, manchmal ist das tödlich. Als Regel gilt, sie niemals kalt zu behandeln. Sie können ein Zeichen dafür sein, dass eine Wunde am Nerv vorliegt. Man kann die betroffenen Glieder mit Wein oder milderndem öl einreiben, mit Kamillenöl, vielleicht einer Mischung aus Wolfsmilch, Schwefel und Rizinuswein. Und nein«, setzte er hinzu, »Geld brauche ich keines. Nur wenn du eine Schüssel Eintopf für mich und meinen Bruder übrig hast …«
Der Missmut vom Morgen, da er den Kampf um Louises Leben verloren hatte, schien gänzlich aus seinem Gesicht verschwunden. Er zeigte stattdessen den gleichen Eifer wie am Vortag, und obwohl er Alaïs mittlerweile vertraut war, so fragte sie sich dennoch, woher er rührte: Einer Gebärenden den Leib aufzuschneiden, mochte eine große Herausforderung für einen seiner Zunft sein. Kein Wunder, dass er desgleichen begehrlich suchte. Doch irgendein angebliches Leiden einer alten Schwätzerin zu mildern? Hatte einer, der auf der Universität zu Montpellier studiert hatte, nichts Besseres zu tun? Unmöglich konnte ihn das in einem Fischerdorf halten!
Sie warf Emy einen fragenden Blick zu, doch mochte der die Pläne des Bruders auch nicht gutgeheißen haben, so handelte er ihnen jetzt nicht
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