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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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ragten aus dem Wasser, als hätte Gott die Reste der Berge nach Vollendung seiner Schöpfung ins Meer gespuckt. In hellem Blau stand dieses Meer, nicht abgründig und unruhig wie auf offener See, wo es das schwarze Kleid einer verwitweten Matrone trug. Hier hingegen ward nicht an Tand gespart: Schmuckstücken gleich waren Streifen von leuchtendem Türkis hineingewebt.
    Ehe sie die Salzminen erreichten, rasteten sie an der nunmehr wieder flachen Küste. Das dortige Dorf erinnerte Alaïs an Saint – Marthe. Die Häuser waren einfach, ebenerdig und aus rötlichem Stein gebaut. Der Meerwind schien ein wenig salziger und schneidender als in der Provence, ward er doch nicht von einer schroffen, tief ins Land geschnittenen Bucht abgefangen, sondern schoss ungehemmt über einen geraden Strand. Weniger dicht bewaldet war dieses Gebiet, verglichen mit dem Landesinneren. Dann und wann ragte ein Maulbeer – oder ein Olivenbaum auf, doch sämtliches Buschwerk reichte ihnen nur bis zu den Knien und glich dabei auf dem Boden kauernden Menschen.
    Annibale Lanzelli – so hieß der Mann, der im Auftrag Navales zu den Salzminen reiste – schlug vor, dass Alaïs und Aurel in jenem Dorf auf sie warteten. Am ersten Tag hielt Alaïs das noch für eine gute Idee. Am nächsten begann sie damit zu hadern, dass der eine Albtraum ihr nun einen anderen beschert hatte: irgendwo festzusitzen, wo es nichts zu erschauen gab als die zerfurchten, von der Sonne gebräunten Gesichter einer übersichtlichen, etwas misstrauischen Menschenschar. Sie lebten vom Fischfang – und danach stank es auch. Die Hände der Frauen waren verhornt und rot vom Flicken der Netze, vom Salzen und Ausnehmen der Fische. Auch das, vor allem das erinnerte sie an Saint – Marthe – nur, dass die Menschen hier noch ärmlicher waren und noch unwilliger, über irgendetwas zu sprechen, was nicht um den Fischfang kreiste.
    Zumindest nahm Alaïs das an. Sich der Sache mit Worten vergewissern konnte sie sich kaum. Auf Navales Schiff hatte sie den einen oder anderen Brocken der katalanischen Sprache gelernt, doch mit dem mallorquinischen Dialekt schien jene wenig zu tun zu haben. Man verstand sie, wenn sie zu essen und zu trinken wünschte – Annibale hatte dafür bezahlt –, doch die Antworten, die kamen, waren einsilbig und unverständlich und mit dem stets gleichen Gestus verbunden: dem Fingerzeig aufs Meer, wo kleine Boote schaukelten, oder auf die Netze, die von Kindern entwirrt wurden, weil jene noch das meiste Gefühl in den Händen hatten.
    Am dritten Tag begann sie, ungeduldig nach Annibale Lanzelli Ausschau zu halten. Was trieb er so lange in der Salzmine? Hatten sie heute nicht in die Ciutat zurückkehren und endlich wieder Navales Schiff besteigen wollen?
    Da nichts seine Rückkehr ankündigte, suchte sie Aurel. Seit sie die Ciutat überstürzt verlassen hatten, hatten sie nur wenige Worte miteinander gewechselt.
    Wahrscheinlich, dachte sie ärgerlich, wahrscheinlich ist in ihm immer noch keine Erinnerung an Frère Lazaire erwacht. Wahrscheinlich weiß er auch nicht mehr, wie man uns zum Comte gebracht hat, wie wir diese schreckliche Zeit im Kerker überstehen mussten …
    Sie schüttelte sich bei dem Gedanken und konnte nicht begreifen, dass jene Erinnerungen Aurel nicht im gleichen Maße heimzusuchen schienen.
    Als sie ihn schließlich in einem der kleinen Häuschen fand, von denen sich eins nicht vom anderen unterschied, erkannte sie, dass er – anders als sie – in jener Einöde etwas gefunden hatte, was seinen Geist fesselte.
    Er saß bei einem kleinen Jungen, der sich während des Baus eines neuen Fischerbootes eine Verletzung zugezogen hatte. Ihn ganz in seinem Element zu sehen, machte sie neidisch. Warum war es auf der Welt so bestellt, dass sich Freiheit nur so schwer finden ließ – Kranke und Verletzte aber überall?
    In jenem Augenblick empfand sie sie nicht als mitleiderregende Kreaturen, sondern als Unkraut, das überall spross, selbst in einer trockenen Einöde wie dieser.
    »Was ist geschehen?«, brummte sie unwillig.
    »Ein Holzsplitter«, erklärte Aurel freudig.
    »Wie überaus großartig!«, höhnte Alaïs und konnte sich nicht verkneifen hinzuzusetzen: »Ich fürchte freilich, du musst ihn bloß herausziehen und alles ist wieder gut.«
    »Eben nicht!«, erwiderte Aurel triumphierend, ehe er zu einer längeren Erklärung ansetzte.
    »Der Splitter ist zu groß und zu tief eingedrungen. Es empfiehlt sich darum die Extraktion mit Hilfe eines

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