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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Wundbrand ankämpfen müssen.
    Aurel verschonte er schließlich. Als sie das erste Mal die Verbände von der Wunde löste, konnte sie kaum auf den roten, schwärenden Stumpf schauen. Doch gleichwohl die Haut an jener Stelle, wo sie sie mit Nadeln festgesteckt hatte, rot und rissig aussah und ein sämiges Sekret absonderte, eiterte sie nicht und wurde auch nicht schwarz.
    Am vierten Tag schließlich schlug Aurel die Augen auf, und sein Blick war wieder erstaunlich klar. Er richtete sich auf, stützte sich auf seine Ellbogen und verlangte erstmals mit Worten, nicht nur mit Stöhnen, nach Wasser. Als sie die Schöpfkelle an seinen Mund hielt, trank er mehr als in den Tagen zuvor.
    »Was … was ist passiert?«, stammelte er. Sie wandte sich ab, wollte nicht zusehen, wie sein Blick langsam über seinen Körper glitt, bei seinem Stumpf hängen blieb. Sie wusste nicht, ob er sich noch an seine Verletzung erinnern konnte oder nun von Entsetzen gepackt war. Zumindest hörte sie ihn nicht aufschreien.
    Als sie nach einer Weile wagte, sich ihm wieder zuzuwenden, nestelte er an seinem Verband, befreite die Wunde davon und besah sie sich. Jetzt erst gewahrte sie, wie stark er abgenommen hatte, wie spitz seine Wangenknochen aus dem Gesicht hervorstachen.
    »Ich hab’s gemacht, wie du es mir befohlen hast«, flüsterte sie heiser, und trotz der Gluthitze schüttelte die Erinnerung an die grauenhafte Operation sie wie ein Kälteschauder.
    Schwer ließ er sich wieder zurückfallen, starrte mit glanzlosen Augen auf die Decke.
    »Ich … ich habe es doch richtig gemacht?«, fragte sie lauernd, und sie fühlte, wie die Last von ihr abfiel: Nun war sie nicht mehr allein mit seinem verwundeten Körper, nun gehörte der ihm wieder selbst. Er konnte seine Wunde betrachten, konnte feststellen, ob sie richtig heilte oder nicht, und notfalls anordnen, welcher Behandlung sie bedurfte.
    Doch dergleichen schien ihn nicht zu beschäftigen. Kein weiteres Mal besah er den Stumpf. Kein weiteres Mal untersuchte er, an welcher Stelle der Knochen abgesägt und der Hautlappen festgemacht war.
    »Ich werde nie wieder richtig laufen können«, war das Einzige, was er bekundete. Danach schwieg er.
     
    Nachdem Aurel das Bewusstsein wieder erlangt hatte, begann Alaïs sich zu langweilen. Nicht nur heißer schien ihr das niedrige Haus zu werden, sondern vor allem kleiner. Lang hatte sie nicht auf das Meer schauen können, ohne die Erinnerungen an die gefährlichen Mauren vor Augen zu haben. Jetzt begann sie, sich nach dessen Weite und Frische zu sehnen, und suchte, Zeit im Freien zu verbringen. Seit dem ersten Abend hatte sie Sanchonicht mehr gesehen, und nun ertappte sie sich dabei, wie sie nach ihm Ausschau hielt, nicht nur, weil er Neuigkeiten von Pio Navale bringen könnte, sondern weil er nichts mit dem leidenden, mürrischen Kranken gemein hatte. Doch er kehrte nicht wieder, und sie scheute sich, mit Akil zu sprechen.
    Dieser sorgte für sie, ließ seine Männer nicht nur Essen und Getränke bringen, sondern sie auch immer wieder fragen, ob sie etwas brauchte. Doch wiewohl sie ihm von Herzen ihren Dank ausrichten ließ – ihm diesen direkt zu bekunden, wagte sie nicht. Nicht nur aus Angst, dass er nach ihrer Mutter fragen könnte. Nicht nur aus Scheu, weil er mehr über ihre Eltern zu wissen schien als sie. Sondern weil sie nicht darüber nachdenken wollte, weshalb eine heidnische Seele zu so viel Mitgefühl fähig war, andere Menschen vor der Sklaverei zu bewahren. Vielleicht würde er doch noch sein wahres Gesicht zeigen, vor allem nun, da Sancho fort war. Von dem wusste sie zwar auch nicht mehr, als dass er Blut nicht scheute, das Leben leicht nahm und nicht singen, nur summen konnte – aber sein Bekenntnis, dass er mutige Weiber mochte, befand sie als ehrlicher und glaubwürdiger als Akils befremdliches Gerede von der Aufgabe, die der Allmächtige dem kleinen Menschen zuweise und die dieser zu erfüllen habe.
    Sah sie ihn in der Feme, flüchtete sie wieder ins Haus – um dort freilich immer mürrischer zu werden.
    An einem Morgen beschäftigte sie sich zunächst damit, ihr zotteliges Haar in Ordnung zu bringen und sich den Schweiß abzuwischen. Dann schließlich beugte sie sich über Aureis Beinstumpf. Seit er wieder zur Besinnung gekommen war, hatte sie ihn weiterhin täglich frisch verbunden. Wie so oft verscheuchte sie die Fliegen, die vom Geruch nach Blut und offenem Fleisch angezogen wurden. Ehe sie jedoch auch nur ein Stückchen seiner

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