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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Zapfen brachen unter ihrem Gewicht. Verschorfter war hier das Land, nicht weizengold wie im Flachland um die Ciutat. Eng beisammen standen runde Büsche, und dornig – kratzend waren jene, die sich über den Boden wanden. Blumen hingegen fehlten hier: die laschen roten, die aussahen wie Blutstropfen in den runden Wiesenhügeln, ebenso wie die winzigen weißen und die schrillen violetten. Dennoch roch es süßlich, als troff aus den rissigen Stämmen der Bäume nicht klebriges Harz, sondern dunkelbrauner Honig.
    Sancho zeigte ihr die versteckten Buchten des Nordens, wo sich, wie er erzählte, oft Schmuggler und Piraten herumtrieben. In diesen Tagen waren sie freilich menschenleer. Die wenigen Häuser, auf die sie stießen, waren ebenso verwaist wie in der Bucht, wo sie sich niedergelassen hatten. Fischer hatten hier einst gelebt, sagte Sancho, doch sie seien schließlich in den dichter besiedelten Süden des Landes gegangen, um dort mehr Schutz vor feindlichen überfällen zu finden. Dass er auch dort nicht immer gegeben war, musste er ihr gar nicht erst sagen. Immer noch schüttelte sie das Grauen, wenn sie an den Angriff dachte. Des Nachts sah sie Bilder vor sich, wie sie sich hinter dem Türmchen versteckten, wie Aurel vom Pfeil getroffen wurde, wie man sie auf die Boote schaffte. Ob dieser Träume war es ihr lieber, gar nicht erst zu schlafen – und wenn Sancho die Erkundungen weit über den Tag in die Abendstunden ausweitete, war sie gerne damit einverstanden.
    Im Finstern konnte man nicht weit sehen, vor allem erkannte man nicht das gebirgige Land der Tramuntana in der Ferne – und gerade darum fühlte sich Alaïs geschützter und nicht verfolgt von unsichtbaren Angreifern. Auch dass sie nur mit Sanchos Gesellschaft vorlieb nehmen musste, machte ihr nichts aus. Sie, die es einst stets geliebt hatte, wenn es möglichst voll und laut zuging,war nun froh, wenn sie weder Aurel sehen musste noch irgendeinen von Akils Männern, von denen sie nicht wusste, ob sie Heiden oder Christen waren und die sie so oder so unberechenbar deuchten. Sie bedauerte es auch nicht, dass sämtliche Mallorquiner, darunter auch die Ziegenfrau, die man gemeinsam mit ihnen hierher gebracht hatte, wieder in den Süden zurückgekehrt waren.
    Sancho war auch allein ein guter Gesellschafter. Er hatte so viel erlebt und so viel gesehen, dass seine Geschichten für fünf gereicht hätten. Er erzählte von fremden Ländern, von wilden Seeschlachten, von brutalen Piraten. Sie wusste nicht, wie viel davon wahr war und wie vieles nur erfunden. In jedem Fall half es ihr, dass er dabei stets grinste, wodurch all seine Worte, die eigentlich das eben durchgestandene Grauen neu heraufbeschworen, dieses vielmehr der Lächerlichkeit preisgaben. Er leugnete nicht, dass die Welt ein gefährlicher Ort war, aber seine vermeintliche Leichtigkeit gaukelte vor, dass es Spaß brachte, diese Gefahren zu umschiffen.
    Und noch etwas anderes war eine Wohltat: die stete Anerkennung, dass sie eine mutige, starke und schöne Frau sei. Auch diese Worte gerieten nie ernsthaft, sondern immer säuselnd, auch hier gab er sein Grinsen nicht auf, und sie war sich nicht sicher, ob er dergleichen nicht schon zu vielen gesagt hatte, auch zu tumben, maulfaulen, hässlichen Mädchen. Aber auch hier galt, dass das Neckische, Prahlerische, Sprunghafte größere Labsal versprach als die Wahrhaftigkeit.
    Sancho lockte sie auf steinerne Klippen, auf die nicht einmal Ziegen kletterten, und sie schob den Gedanken beiseite, dass sie fallen und sich das Genick brechen könnte. Er kletterte auf Bäume wie die kleinen Kinder von Saint – Marthe, und sie folgte ihm, ungeachtet der Rinde, die ihre Haut aufriss.
    Eines Abends lockte er sie schließlich, mit ihm im Meer zu schwimmen. Die Wasseroberfläche kräuselte sich, als er sich in die Fluten stürzte. Silbernes Mondlicht spiegelte sich auf den spitzen Wellen, und sein dunkles Haar wirkte fast weiß.
    »Willst du nicht auch ins Wasser?«, rief er Richtung Ufer. »Oder hast du Angst zu ersaufen?«
    »Ich kann schwimmen!«, erklärte sie stolz und lief ihm nach. Viel weiter watete sie hinein als damals, nach der schrecklichen Operation, da sie sich gereinigt hatte. Sie achtete nicht mehr darauf, den sandigen Grund unter den Füßen zu spüren, sondern wagte sich ins Tiefe vor.
    Das Gewicht ihrer Kleidung zog sie bald hinab. Sie musste sämtliche Kraft aufwenden, um sich an der Oberfläche zu halten, doch prustend erreichte sie schließlich

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