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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Haut berührte, fuhr er plötzlich hoch. Kein heftiger Atemzug hatte es angekündigt, und als seine Hand plötzlich die ihre packte – mit mehr Kraft, als sie in seinem siechenden Körper vermutet hätte – schrie sie erschrocken auf. Er hielt sie nicht lange fest, stieß sie alsbald von sich.
    »Lass das! Ich mache das alleine!«
    Nur allzu gerne wich sie zurück – und ärgerte sich doch über seinen rüden Tonfall. Bislang hatte sie nicht auf ein Wort des Dankes, ihm das Leben gerettet zu haben, gewartet. Doch nun forderte sie es mit spitzer Stimme ein.
    »Vor nicht langer Zeit hast du’s eben nicht alleine machen können! Wenn ich nicht gewesen wäre …«
    Er stierte an ihr vorbei. Seine Augen waren nicht länger in Höhlen versunken, aber sie glänzten nicht, und seine Haut wirkte grau. Er glich einem, der zu viel getrunken hatte, ohne den Rausch angemessen zu genießen.
    »Jetzt brauche ich dich aber nicht mehr!«
    »Und darum soll ich gehen, ja? So hast du’s ja stets gemacht. Hast mich angelacht, wenn ich dir nützlich war, und mich hinterher wieder vergessen. Aber wohin soll ich gehen, Aurel? Zu Pio Navale? Nun, ich könnte ihn ohne dich auf die Grüne Insel begleiten. In deinem Zustand wirst du schließlich nicht reisen können. Er braucht auf seiner Insel starke Männer … keine Krüppel.«
    Mit jedem Wort wurde sie zorniger, ungehaltener, verletzender. Doch die Wahrheit, die sie aussprach und die sie bislang nicht hatte zugeben wollen, schien ihm nicht neu zu sein. Er stritt nicht ab, ein Krüppel zu sein.
    »Warum hast du nur so viel Aufsehen gemacht wegen dieses Pfaffen?«, zischte er. »Wer sagt, dass er uns erkannt hätte?«
    »Willst du also sagen, ich sei schuld, dass du dein Bein verloren hast?«
    »Wie soll ich denn ein guter
Cyrurgicus
sein, wenn ich nicht aufrecht stehen kann?«
    Der Tonfall, den seine Stimme angenommen hatte, war ihr fremd. Auch damals in der Grotte hatte sie ihn klagend erlebt, hoffnungslos und zugleich mürrisch, weil die Welt wagte, ihm das anzutun. Doch nun gebärdete er sich um vieles kindlicher, halb weinerlich, halb nörgelnd. Nichts hatte er mit dem hof f artigen
Cyrurgicus
gemein – und er stieß sie solcherart mehr ab, als er es mit der grässlichsten aller Wunden hätte tun können.
    »Und gibt es etwas, was mir noch gleichgültiger sein könnte?«, gab sie scharf zurück.
    Sie wartete seine Antwort nicht ab, stand wütend auf und eilte hinaus. Sogar mit dem sonderbaren Akil zusammenzutreffen wäre ihr lieber gewesen als noch einen Augenblick in der heißen, fliegenverseuchten Hütte auszuharren.
    Doch es war nicht Akil, auf den sie traf. Sancho saß vor der Hütte im Sand, als wäre er nie weggewesen, sondern hätte sich die letzten Tage über an genau dieser Stelle ausgeruht, mit nichts weiter beschäftigt, als eintönige Lieder zu pfeifen. Seine Hand malte Kreise auf den Boden.
    Sie sah ihm eine Weile zu, bis er sich endlich umdrehte und sie angrinste. In der grellen Sonne wirkten seine Zähne nicht so weiß wie im Mondschein.
    »Nun, mutige Frau, hast du mich vermisst?«
     
    Sancho mochte nirgendwo auf der Welt zu Hause sein; das bekundete er immer wieder aufs Neue. Dennoch schien er jeden Stein, jeden Baum, jeden Pfad Mallorcas zu kennen. Mühelos hatte er es geschafft, die Ciutat zu erreichen und wieder zurückzukehren. Von Pio Navale hatte er leider nichts erfahren, jedoch einen Boten instruiert, ihm darüber Auskunft zu geben, ob dieser nun aufgebrochen sei oder nicht.
    Als er Alaïs davon berichtete, bekümmerte es diese wenig. Pio Navale und die Zukunft, die dieser verheißen hatte, schienen in diesem Augenblick nur Aurel zu gehören – und der hatte sie so tief verärgert, dass sie nicht einmal seinen Namen in den Mund nehmen wollte. Umso heftiger bekundete sie, dass der beengte Lebensraum der letzten Tage sie verrückt mache.
    »Schön, mutig und neugierig«, stellte Sancho fest.
    Er hatte sich auf dem sandigen Boden niedergelassen. Doch Alaïs wollte nicht ruhig verharren, sondern sich bewegen, möglichst viel, möglichst schnell und möglichst weit weg von der dumpfen Hütte. Sie musste ihre Unruhe nicht erst in Worte kleiden. Sancho erhob sich gerne und schüttelte den Sand ab.
    »Kann dir eine Menge zeigen, wenn du willst!«, prahlte er.
    Er führte sie auf ausgetretene Ziegenpfade und über nackte Felsen, an Pinien und Steineichen vorbei, an öl – und Johannisbrotbäumen. Der Boden knirschte meist unter ihren Füßen, verdorrte Nadeln und

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