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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Bäckerei zählen dazu. Und er verfügt über ein Dutzend Reiter. Jährlich mussten wir sechs
Sous coronats
Abgaben an ihn zahlen.«
    Während er erzählte, ging Alaïs auf, dass sie nicht mehr über Aureis Herkunft wusste, als dass er den Namen seines Dorfes trug und sein Vater ihn häufig geschlagen hatte – nicht aber, ob jener ein Bauer war, unter welchen Bedingungen Aurel gelebt hatte und wie es ihm gelungen war, die Heimat hinter sich zu lassen und in Montpellier zu studieren.
    »Ich habe keine Ahnung, wie hoch die Abgaben sind, die von uns gefordert werden …«, murmelte sie.
    »Und was bringt es auch, darüber nachzudenken?«, rief Aurel leichtfertig. »Wenn er ein Mann mit Verstand ist, wird er mir zuhören. Wenn nicht, wird er mich aufhängen wie einen wildgewordenen Hund.«
    Er sprach so unbekümmert, als zählte sein eigenes Leben nicht sonderlich viel.
    Und wenn er wirklich am Galgen hinge, dachte Alaïs, nicht mehr ärgerlich, nur verbittert, so würde er noch darüber nachdenken, wie seine Sehnen, Knochen und Muskeln dabei aussähen …
    Sie stieß einen verächtlichen Laut aus – dem augenblicklich ein ängstlicher Aufschrei folgte. Von oben ertönten Schritte und Stimmen. Die Männer, die sie in dieses feuchte Verlies gestoßen hatten, waren gekommen, sie wieder zu holen.Man zerrte sie hoch, so roh, dass Alaïs auf den glitschigen Stufen ausglitt. Sie fühlte, wie spitze Steine sich in ihre Hüften, ihre Oberschenkel bohrten, wie sie sich den Ellbogen an der rauen Wand aufschürfte. Als wenig später das Sonnenlicht sie traf, blinzelte sie. Sie waren nicht lange im Kerker gewesen, und doch empfand sie sämtliche Farben als so grell, als wäre sie wochenlang von der Welt weggesperrt gewesen. Obwohl es hier draußen nicht klamm und kühl war wie unten, erschauderte sie. Schlimm genug, einmal in diesem Loch gefangen gewesen zu sein – doch wie sollte sie es überleben, wenn man sie ein zweites Mal dorthin zurückbrachte, dann womöglich mit dem Urteilsspruch, dass es ihr für lange Zeit, vielleicht für ewig bestimmt war?
    Sie wollte das Licht förmlich aufsaugen, einen Vorrat anlegen für trübe Stunden, doch die Männer zerrten sie so schnell weiter, dass sie alsbald auf nichts anderes achten konnte als auf den Weg. Er war mit ungleichmäßigen Steinen gepflastert – etwas, was sie noch nie gesehen hatte. Nicht minder beeindruckend waren die Mauern, auf die es nun zuging. Als Alaïs unmittelbar vor ihnen stand, wirkten sie noch höher als beim ersten Anblick. Die größeren Fenster waren mit dicken Balken verschlossen, weiter oben gab es Luken, doch es ließ sich nicht erkennen, ob jemand von dort auf sie herabschaute.
    Rasch warf sie einen Blick auf Aurel und Emy, die weder den Weg noch das Gebäude sonderlich zu beachten schienen. Wahrscheinlich hatten sie in Montpellier schon dergleichen gesehen. Vielleicht bestand eine Stadt wie Montpellier auch nur aus solch riesigen Steinhäusern.
    Erneut ging es durch ein Tor, das diesmal jedoch nicht in ein Kerkerloch, sondern in die Burg führte. Nach dem blendenden Sonnenlicht sah Alaïs im dunstigen Inneren für einen Augenblick gar nichts. Blind stolperte sie über einen Boden, der, wie sie merkte, aus Holz gezimmert war. Durch eine weitere Türe ging es, so niedrig, dass die Männer ihr den Kopf herunterdrückten, damit sie nicht dagegenschlüge. In jenem zweiten Raum war eswieder heller, nicht vom Tageslicht, sondern dank des Feuers, das trotz des warmen Wetters im Kamin prasselte.
    Eine Weile nahm Alaïs nichts weiter wahr als dieses gewaltige, steinerne Gebilde, in dem selbst armdicke Holzscheite winzig wirkten. Als sie sich schließlich umsah, erkannte sie, dass alles in diesem Saal riesig war. An dem länglichen Holztisch konnten sicher an die zwanzig Menschen sitzen. Der Teppich an der Wand, auf dem zu sehen war, wie zwei Männer mit ihren Hunden jagten, wäre groß genug gewesen, um ihre ganze Kate einzuhüllen. Wohingegen sie in der heimatlichen Stube nur die Hand zu heben brauchte, um die rußgeschwärzte Decke zu berühren, war jener Saal so hoch, dass die Stube gewiss vier Mal hineingepasst hätte. Schwere Balken stützten das Gewölbe, das einem umgedrehten Schiff glich. Die Stühle rund um den Tisch waren leer – ihre Sitze waren aus Leder gefertigt, die Lehnen mit aufwändigen Schnitzereien versehen –, doch aus einer der Fensternischen tönte Gemurmel.
    Vier Männer standen dort zusammen, in viel bunteren Kleidern, als Alaïs sie

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