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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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trat er nun auf sie zu, was Aurel wohl als Aufforderung wertete, es ihm gleichzutun.
    »Es ist ein göttlich Werk, den Schmerz zu stillen«, bekundete er knapp. »Das sagte der große Hippokrates, und Henri de Monde – ville hat ihn oft zitiert. Ich will nichts anderes. Dies ist der Zweck, dem meine Studien dienen.«
    Ein Laut glitt über die Lippen des Comte, den Alaïs nicht zudeuten vermochte. Ein verächtliches Pfeifen oder ein schwermütiges Schluchzen?
    Wieder hob er die Hand, doch diesmal nicht zum Zwecke eines Befehls, sondern irgendwie hilflos. »Wisst ihr eigentlich, in welche Lage ihr mich bringt?«, fragte er sie.
    Er drehte sich um, begann auf und ab zu gehen, nur langsam zunächst, dann immer schneller. Im Takt seiner Schritte fing er an zu sprechen.
    »Einst war die Provence stark und unabhängig«, sagte er, »ich kann mich noch an die Geschichten meines Vaters erinnern, wenn er davon erzählte. Er kannte Raimond Bérenger V. persönlich, und es wäre uns allen viel Leid erspart geblieben, hätte jener Söhne gehabt, die von seinem Geiste und seinem Blute gewesen wären: aufrechte Provençalen, stolz und stark. Doch er hatte diese Söhne nicht, nur Töchter, und so kam Charles d’Anjou ins Land und hat es sich unterworfen. Er sah sich als König, als alleiniger Gesetzgeber, ja, als noch viel mehr: die einende Macht sei er, den Provençalen eine Art strenger Vater, gar der Vertreter Christi, der auf Recht und Anstand zu pochen habe.«
    Alaïs hatte den Blick gesenkt, als er zu sprechen begann, nun hob sie überrascht die Augen. Mit vielem hatte sie gerechnet, nur nicht mit diesen Worten, die nichts mit der toten Louise oder dem toten Ricard zu tun hatten, sondern von einer Verbitterung kündeten, die so viel älter war als dieser Tag. Obwohl er ihnen den Rücken zuwandte, schien dem Comte ihre überraschung nicht entgangen zu sein.
    »Ihr wundert euch, warum ich das sage?«, fragte er. »Nun, einst hätte ich selbst über diesen Fall entscheiden können. Einst hätte ich selbst ein Urteil darüber gesprochen, welche Strafe einer verdient, der die Leiber der Toten schändet. Aber was bin ich denn noch nach dem Willen des Königs? Nichts, rein gar nichts! Keine Entscheidungen kann ich treffen, die nicht vom Königlichen Rat in Aix abgesegnet werden – und muss dafür noch dankbar sein. Schließlich könnte es uns Grafen noch schlimmer treffen, wir könnten gar vom Hof in Neapel aus regiert werden.Wir seien nicht länger nur für uns selbst verantwortlich wie früher, sondern für das ganze Land, heißt es. Pah! In Wahrheit besagt das nur, dass wir nicht mehr unsere eigenen Herren sind, sondern dem König mit Leib und Seele gehören, auch wenn dieser nun Robert heißt und nicht mehr Charles. Gott verdamme seine machthungrige Seele! Wehe, unseresgleichen wagt, etwas gegen diesen König zu sagen. Dann schleift uns prompt irgendein Spitzel an den Hof, um uns schmählich zu verleumden.«
    Seine Schritte hatten sich beschleunigt. »Boten, Ausrufer, Gerichtsdiener – niemandem kann man mehr trauen. Emporkömmlinge allesamt. Vom König ermutigt, alles anzuzeigen, was nach Aufruhr riecht. Er wartet nicht einmal auf ihre Anzeige, nein: Er lässt sie alle jährlich zu sich kommen, auf dass sie genau berichten, was sie über unsereins vernommen haben. Ein flüchtiges Wort, in Weinlaune ausgesprochen, landet rasch in einem der Bücher, die der König eigens für diesen Zweck angelegt hat.«
    Er spie die Worte förmlich aus, verschluckte sich schließlich an einem und begann zu husten. Röchelnd tönte es durch den Saal. Als er sich ihnen wieder zuwandte, war sein Gesicht verkniffen. Derart aus dem Takt gebracht, schien er nicht zu wissen, wie er weitermachen sollte, und starrte sie schweigend an. Aurel nutzte den Moment, um noch einen Schritt nach vorne zu machen.
    »Ich habe nichts Unrechtes getan«, wiederholte er seine vorhergehende Beteuerung.
    Comte Henric hustete wieder, vielleicht lachte er auch bitter. »Das sieht der Franziskaner anders«, erklärte er. »Und da der König, wie ich weiß, die Franziskaner inniglich liebt, würde er ihm wohl zustimmen. Der König, dem ich ausgeliefert bin, ob ich’s nun will oder nicht. Ich will es nicht. Andere Barone und Grafen hingegen, widerwärtige Buckler allesamt, haben sich blenden lassen.« Er schüttelte den Kopf, um wieder zu einer Rede anzusetzen, die Alaïs endlos deuchte. »Ja, leichtgläubig haben sie sich vom Versprechen einlullen lassen, an Macht zu

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