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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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niederlegen.«
    Während er redete, war er mit dem Stück Fleisch durch die Luft gefahren, nun steckte es in seinen Mund. So riesig war es, dass er kaum kauen konnte und seine Wangen ungewöhnlich aufgebläht wirkten. Der Anblick erinnerte an die hauteng anliegenden Hosen und die pralle Geldbörse. Emy hatte den Kopf gehoben und zu essen aufgehört.
    »Im Moment habe ich noch in der Provence zu tun, doch in einigen Monaten werde ich wieder einmal nach Florenz zurückgehen, wenn auch nur für kurze Zeit. Auch dorthin könnt Ihr mich begleiten.«
    Erstmals währte seine Pause lange genug, dass Aurel auf sein Ansinnen antworten konnte.
    »Nach Florenz?«, fragte er gedehnt. »Ich wüsste nicht, dass es dort eine bedeutende medizinische Fakultät gibt.«
    Giacinto schluckte mühsam das Fleisch, Alaïs sah, wie sich sein Adamsapfel förmlich blähte. »Nun, mein Bruder ist in der Tat kein Mediziner. Aber wie ich schon sagte: sehr wissbegierig. Als ich ihn das letzte Mal sah, suchte er herauszufinden, wofür sich – abgesehen von der Seefahrt – die Kraft des Windes noch nutzen ließe. Ich kann mir denken, dass der Austausch mit einem Mann wie ihm für Euch gewinnbringend wäre. Sein Verstand legt sich keine Grenzen auf – und ich habe den Eindruck, bei Euch verhält es sich ähnlich.«
    Aurel zuckte die Schultern. Es war ihm deutlich anzusehen,dass ihn das Ansinnen des Kaufmanns unvermutet traf, er sich nicht entscheiden konnte, ob es Auszeichnung verhieß oder Einengung.
    »Soviel ich weiß, ist das Leben eines
Cyrurgicus
unstet«, fuhr Giacinto Navale fort, »es sei denn, er lehrt an einer der großen Fakultäten oder weiß einen reichen Gönner hinter sich. Doch ist es wirklich das, was Ihr wollt? Wie Gaukler zu leben? Aufs Glück zu setzen, dass Kranke einem vor die Füße fallen – so wie heute?«
    Wieder zuckte Aurel die Schultern.
    »Und ist’s nicht so, dass kleingläubige Menschen Euer Tun stets misstrauisch beäugen? Gar mancher würde Euch nicht wie ich zum Essen bitten, nachdem Ihr den armen Fausto auf wundersame Weise geheilt habt. Nein, viele würden in die Kirche laufen und angstvoll zu Gott beten, der es in seiner grenzenlosen Weisheit gewiss nicht vorgesehen habe, dass man ihm derart in sein Handwerk pfuscht.«
    »Für das, was ich bin, hat man mich in diesem Jahr bereits geschlagen …«, entfuhr es Aurel, und er wirkte nicht länger verwirrt, sondern grimmig. »Als wäre es ein Verbrechen, ein guter
Cyrurgicus
zu sein! Und ein noch größeres, zu diesem Zwecke die menschliche Anatomie zu erforschen!«
    Bis jetzt hatte Alaïs nicht vermutet, dass Bitterkeit an ihm nagte, hatte vielmehr gedacht, dass er die Erlebnisse von Saint – Marthe wie alte Kleidung abgestreift hätte, um sich unbekümmert dem Neuen zuzuwenden. Nun zog er – wohl beim Gedanken an Frère Lazaire – die Stirn kraus und ballte seine Hand zur Faust.
    Doch nicht das war es, was sie am meisten überraschte. Indessen in Aurel Ärger aufkeimte, der ihn für Navales Angebot gewiss empfänglich stimmte, und jener es bekräftigte, indem er meinte: »Pio sieht in einem hungrigen Geist gewiss kein Verbrechen«, erhob sich Emy plötzlich mit einem Ruck.
    »Mein Bruder und ich werden die Provence nicht verlassen«, stellte er entschieden fest.
    Nicht nur Alaïs’ Augen weiteten sich verwirrt, auch die von Giacinto. Sie fühlte, dass auch er auf ein Widerwort wartete und es ihn nicht minder undenkbar deuchte wie sie, dass Aurel sich dem eilfertig ausgesprochenen Entschluss seines Bruders fügte.
    Doch nichts geschah.
    »Wie ich schon sagte: Es gibt keine bedeutsame medizinische Fakultät in Florenz«, murmelte Aurel gleichmütig, bekundend, dass sich sein Widerstand um vieles entschiedener geregt hätte, wäre Gegenteiliges der Fall.
    Giacinto schnitt ein weiteres Stück Fleisch ab, versenkte es zwischen seinen schmalen Lippen und bedrängte Aurel nicht weiter.
    »Schade«, sagte er lediglich mit vollem Mund. »Aber vielleicht solltet Ihr einfach eine Nacht darüber schlafen.«
     
    Später lagen sie in einem der Zelte, und die Teppiche und Pelze, die auf dem Boden ausgebreitet waren, stellten sich tatsächlich als so weich heraus, wie Alaïs erwartet hatte. Dennoch konnte sie nicht hingebungsvoll diese Annehmlichkeit genießen, war vielmehr aufgewühlt von dem, was beim Abendessen geschehen war.
    »Warum«, wandte sie sich an Emy, »warum hast du Navales Vorschlag einfach abgelehnt?«
    Emy, der eben mit einem lustvollen Seufzen seine

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