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Die Gefährtin des Medicus

Die Gefährtin des Medicus

Titel: Die Gefährtin des Medicus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wie diese treffen, ohne mich auch nur zu fragen? Und wie kann er es obendrein wagen, nur dich vorzuschicken, anstatt mir selbst in die Augen zu sehen, wenn ich es erfahre?«
    Sie stampfte auf, spähte über Emys Rücken Richtung Papstpalast, bereit, erneut zu dem verbotenen Ort zu stürmen. Und würden sich sämtliche Knappen, sämtliche Soldaten, sämtliche Priester ihr entgegenstellen – alle würde sie zur Seite drängen, würde sie schlagen und kratzen, bis sie vor Aurel stünde und er ihr versicherte, dass er ihr Schicksal nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte, um sie nun in Avignon sich selbst zu überlassen. Unmöglich konnte er das tun!
    Noch keinen Schritt weit war sie gekommen, als Emy sich ihr in den Weg stellte und sie festhielt. Sie hatte nicht einmal bemerkt, dass er überhaupt aufgesprungen war. Verbittert kämpfte sie nun gegen seinen ungewohnt hartnäckigen Griff.
    »Lass mich los!«, kreischte sie. »Er soll es mir selbst sagen! Dieser verdammte Hurensohn! Dieser verfluchte Bastard! Dieser …«
    Keine Beschimpfung fiel ihr ein, die schlimm genug war.
    »Alaïs, komm zu dir!«
    Seine Stimme war verlöschend leise, doch seine Berührungen blieben fest. Er hielt sie an beiden Händen, damit ihre Fäuste ihn nicht treffen konnten, und zog sie schließlich an sich; so dicht war ihr Kopf an seine Brust gepresst, dass sie kaum atmen und nichts sehen konnte. Sie strampelte mit den Füßen, traf sein Schienbein und kicherte hysterisch auf, als sie den Schmerzenslaut hörte, der ihm entfuhr. Doch nach einer Weile war sie zu erschöpft, um sich zu wehren, zu erschöpft auch, um weiterzufluchen.
    »Wie kann er mir das antun?«, stöhnte sie in seine Brust. »Warum bin ich ihm so gleichgültig?«
    Das Schlimmste an allem war: Seine Entscheidung erboste sie – aber sie überraschte sie nicht. Verwunderlich war, dass er sich in die Dienste des Papstes stellen wollte, jedoch nicht, dass sich seit Saint – Marthe nichts geändert hatte, dass all ihr Fleiß, ihr Mut, ihre Wissbegierde, ihr Eifer sie Aurel nicht nähergebracht hatten. Sie war sich in diesem Augenblick gar nicht sicher, ob sie ihm überhaupt nahe sein wollte, ob sie an ihn gelehnt stehen wollte wie an Emy, seinen Geruch atmen, das leise Beben seines Leibesspüren. Viel mehr als Aurel zu umarmen, wünschte sie sich, ihn zu schlagen, ihn anzuschreien, ihn zu verfluchen, vor allem aber ihm die Gewissheit abzutrotzen, dass es sich gelohnt hatte, nächtelang bei den Leichnamen auszuharren, aus der Heimat vertrieben zu werden und zu lernen, Kranke zu heilen.
    »Alaïs …«
    Emys Stimme klang heiser. Erst jetzt gewahrte sie, dass ihr Speichel auf seine Tunika getropft war und dass sie ihn noch nie umarmt hatte. Sein Körper fühlte sich nicht fremd an, vertraut vielmehr wie der ihrer älteren Brüder, die sie, als sie noch klein gewesen war, manchmal hochgehoben, in die Luft geworfen und sie wieder aufgefangen hatten. Vor Freude gekiekst hatte sie damals. Jetzt fühlte sie sich nur ausgelaugt – und verbittert.
    »Und du?«, sie ließ ihn los, rückte von ihm ab. »Was soll aus dir werden? Hat sich Aurel wenigstens darüber Gedanken gemacht?«
    Kurz wünschte sie, er würde sie nicht einfach loslassen, würde sie noch einmal packen, festhalten, umarmen, würde sie nicht der Welt ausliefern, die für jedes Fünkchen Freiheit, das sie schenkt, ein noch größeres Maß an Mühsal einfordert. Doch als er sie nicht wieder umarmte, sagte sie sich trotzig, dass sie gut und gern darauf verzichten konnte.
    »Hab dir doch von der Küche erzählt.« Es klang kleinlaut. »Nicht nur, dass sie so groß ist – zwei Oberköche arbeiten dort, und ihnen unterstellt sind vier Unterköche.«
    »Ach?«, fragte Alaïs bitter. »So will man dich dort schuften lassen?«
    »Über diesen Köchen steht der Einkäufer«, fuhr er fort. »Das ist Guillelmus Martini. Er verwaltet die Speisekammer und hat dafür zu sorgen, dass sie stets aufgefüllt ist und dass die Waren, die für den päpstlichen Hof gekauft werden, stets die besten und frischesten sind. Ihm … ihm kann ich zuarbeiten. Für immerhin einen halben Florus pro Tag. Es bliebe also genug Geld, dass Aurel und ich ein
Domus
mieten. Und vielleicht …«
    Er sprach nicht weiter, aber sie konnte seine Worte erahnen.
    »Und darauf lässt du dich ein?«, entfuhr es ihr wütend. »Du hast sie doch gesehen … die vielen Priester gestern. Weder du noch Aurel seid geweihte Männer. Ihr habt hier nichts verloren!«
    »Das

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