Die Gefährtin des Vaganten
Langsam schlenderte er vom Kai weg und machte an einem Tretkran Halt, um von Ferne der Verhandlung zu folgen.
Ohne Zweifel, es handelte sich bei dem Eiligen um Gunnar von Erpelenz, den Berater des Erzbischofs Dietrich von Köln.
Bemerkenswert. Äußerst bemerkenswert. Was hatte der so hurtig in eigener Person seinem Herrn zu berichten? Die Nachricht von der päpstlichen Flucht musste dem schon seit Tagen von den Kurieren überbracht worden sein. Der Erzbischof hielt sich, wie alle Machthaber, eine eigene berittene Kurierstaffel.
Dietrich von Moers, seit noch nicht einem Jahr im Amt, hatte sich mit Papst Johannes verbündet. Verständlich, dass er seinen Berater nach Konstanz geschickt hatte, um zu taktieren und Einfluss zu nehmen.
Ob die Loyalität so weit gegangen war, dass Gunnar von Erpelenz den Papst auf der Flucht begleitet hatte?
Die beiden Männer schienen sich nun handelseinig zu sein, und Hagan wanderte stromaufwärts, um Gunnar nicht zu begegnen, der sich in Richtung Stadt in Bewegung gesetzt hatte. Es war besser, wenn der Berater des Kölner Erzbischofs nicht auf die Idee kam, dass der Bischof von Speyer noch am Leben war.
Aber wenn er irgendetwas mit der päpstlichen Flucht zu tun hatte, dann war es für ihn selbst durchaus von Interesse, herauszufinden, welche Art von Intrigen hier gesponnen wurde. Und umso mehr Grund hatte er, unerkannt nach Köln zu kommen und Informationen einzuholen. Es gab da Möglichkeiten, sann Hagan. Aus lang zurückliegenden Zeiten hatte er noch Freunde an Dietrichs Hof – zum Beispiel einen alten Hauptmann der erzbischöflichen Truppen und den Vater seines verstorbenen Freundes.
Als er am Abend wieder zum Kai ging, war der Segler fort. Hagan kehrte zu seinen Begleitern zurück, die auf einer Weide am Ufer der Ill vor der Stadtmauer ihr Lager errichtet hatten. Ein Feuer brannte schon, und man ging seinen Beschäftigungen oder dem Müßiggang nach. Es hatte sich ein kameradschaftliches Verhältnis zwischen ihnen gebildet, die Vaganten behandelten ihn, nach anfänglicher Zurückhaltung, als einen der Ihren, und er nahm die Eigenarten seiner Kameraden ebenso gleichmütig hin. Einzig mit dem vorwitzigen Äffchen hatte er hin und wieder Auseinandersetzungen auszufechten, weil dieses Tier sich in den Kopf gesetzt hatte, seine Schreibfedern zu stehlen und zu zernagen.
Hagan nahm den gebotenen Becher Apfelwein an und holte sich eine Pastete aus dem Korb, setzte sich aber etwas abseits damit nieder. Es war ihm nicht danach zu reden. Die Begegnung mit dem Berater des Erzbischofs hatte alte Wunden aufgerissen, was dazu führte, dass er nicht nur über die Zukunft nachdenken musste, sondern dass sich auch Erinnerungen an vergangene Zeiten in seinen Sinn geschlichen hatten.
Seit sechs Wochen führte er das unstete Vagantenleben, und allzu sehr belastete es ihn nicht. Die Kost war karg, das Marschieren zu Beginn kräftezehrend, die Nächte auf hartem Boden waren ungemütlich, aber alles das hatte er in seinem Leben zuvor auch schon einmal durchgestanden. Hagan war nicht immer Weihbischof von Speyer gewesen. Und doch hatte ihm das Städtchen mit seinem Dom das erste Heim geboten, das er sein Eigen nennen konnte.
Nun hatte er auch das wieder verloren.
Die seltsame Stimmung, die er seit dem Mittag fühlte, machte sich nun als leise Trauer bemerkbar.
Unstetigkeit, früher ein Teil seines Lebens, schien jetzt plötzlich schwerer zu ertragen zu sein. Mochte es vielleicht auch daran liegen, dass er Hanna wiedergesehen und verloren hatte? Mit Frauen hatte er nie besonders großes Glück gehabt. Sie waren wankelmütig und unzuverlässig. Es lohnte sich nicht, ihnen tiefere Gefühle entgegenzubringen.
Piet setzte sich neben ihn, füllte aus dem Krug noch einmal seinen Becher.
»Worüber grübelst du so trübsinnig, Magister?«
»Weiber.«
Piet nickte.
» Anathema sit .«
Hagan lachte trocken auf.
»So schlimm ist es nun auch wieder nicht, dass sie alle verflucht seien.«
6. Die Geburt einer Legende
Es kam aber auch Nikodemus, der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte Myrrhe gemischt mit Aloe, etwa hundert Pfund. Da nahmen sie den Leichnam Jesu und banden ihn in Leinentücher mit wohlriechenden Ölen, wie die Juden zu begraben pflegen.
Joh. 19.39
Sein seidenes Gewand raschelte leise, als er vom Schreibpult aufstand und zum Erker trat. Seine Füße glitten jedoch geräuschlos über den prachtvollen Teppich aus dem fernen Orient. Das
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