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Die Gefährtin des Vaganten

Die Gefährtin des Vaganten

Titel: Die Gefährtin des Vaganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einen Happen zu sich, und da Elseken draußen am Brunnen die Kessel und Pfannen schrubbte, hatte sie den Raum eine Weile für sich alleine. Dieser Piet hatte sie verblüfft; sie wünschte, sie hätte Zeit, sich mit einer Feder und ihrem Büchlein zurückzuziehen. Vielleicht war es doch nicht ganz so arg, diese Truppe zu beherbergen. Man würde sehen. Das Mädchen, diese Melle, war ein dreistes Ding, aber sie hatte sich Piet auf die leise Mahnung hin sofort gefügt. Ja, sie hatte sogar ein wenig verlegen ausgesehen.
    Jan und Paitze würde sie sowieso nicht davon abhalten können, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie war gespannt darauf, was ihre Kinder ihr am Abend zu berichten hatten.
    Als sie gesättigt war, wischte sie mit dem Brotkanten den letzten Bratensaft auf und trug dann ihre Schüssel ebenfalls zum Brunnen, um sie zu dem übrigen Geschirr zu stellen, das die Mägde abspülten. Anschließend suchte sie ihre Kammer auf. Hemma war noch immer nicht zu Bewusstsein gekommen, und Martine saß mit einer Stickerei beschäftigt am Fenster.
    »Hast du gegessen, Martine?«
    Kopfschütteln.
    »Ich bleibe eine Weile bei ihr, du kannst jetzt nach unten gehen.«
    Wieder Kopfschütteln.
    Also war wieder jemand eingetroffen, der ihr Angst machte. Nun gut, so war das eben mit der stummen Magd.
    »Ich bringe dir nachher etwas hoch.«
    Und dann widmeten sie sich der Verletzten, schüttelten die Polster auf, prüften die Wunden, netzten ihre Lippen mit verdünntem Wein.
    »Vielleicht sollte ich um einen Bader schicken. Ich weiß nicht, ob ich das mit dem gebrochenen Bein richtig gemacht habe. Mir scheint, sie hat Fieber.«
    Martine legte die Hand auf Hemmas Stirn und nickte. Aber sie drehte die erhobenen Handflächen nach oben. Auch sie wusste sich keinen rechten Rat.
    »Ich werde Jan nach Porz schicken«, beschloss Laure und verließ die Kammer.
    Jan war es auch, der ihr gleich darauf über den Weg lief. Er hörte sich ihre Bitte an und erwiderte: »Die Zwergenfrau, die Inocenta, die sagt, sie versteht was von Krankenpflege, Mama. Ich habe ihnen nämlich von Hemma erzählt, und die haben oben im Wald ihre Hütte gesehen. Die hat man zerstört, sagte Melle.«
    »Du hast dich also über unsere neuen Gäste schon kundig gemacht.«
    »Ja, und die sind alle ziemlich lustig.«
    »Sei vorsichtig, Jan. Man schließt nicht gleich mit allen Reisenden Freundschaft.«
    »Ja, ich weiß. Sagst du immer. Aber ich hab noch nie mit einer Zwergin gesprochen.«
    »Ich vermute mal, sie ist ein Mensch wie andere auch, nur kleiner.«
    »Sicher?«
    »Sicher. Sie kommt bestimmt nicht aus einer Höhle unter dem Berg und hortete die Juwelen eines Drachens.«
    Geschichtenerzähler, die sich hin und wieder einfanden, gaben solche Mären zum Besten, und die Kinder hatten tagelang Freude an diesen Gespinsten. Aber sie mussten Wirklichkeit und Erdichtetes auseinanderzuhalten lernen.
    »Ja, sie wird wohl ein Mensch sein, aber etwas seltsam ist die doch. Aber wenn sie was von Verletzungen versteht …«
    »Dann werde ich sie jetzt danach fragen.«
    Oder besser Piet.
    Den fand sie in der Scheune dabei, wie er sich ein Strohlager richtete.
    »Ja, Inocenta ist unsere Medica. Sie hat gute Hände dafür, Kranke zu versorgen. Unsereins hat immer mal irgendwelche Schrammen und Schnitte, gebrochene Knochen oder ausgerenkte Glieder.«
    »Ihr habt von der Einsiedlerin gehört?«
    »Deren Klause oben im Wald zerstört worden ist? Nein, nur die Spuren haben wir gesehen. Was ist ihr geschehen?«
    Zwar war Laures Misstrauen noch nicht ganz ausgeräumt, aber sie berichtete Piet dann doch von Hemma, den wilden Tieren, dem Tod des Bären und der Flucht vor jemandem, bei der sie den Abhang hinuntergestürzt war und sich verletzt hatte.
    »Eine Einsiedlerin, die mit wilden Tieren zusammenlebt, einen Friedensengel nannte man sie. Ja, Frau Wirtin, ihr Ruf ist weit über die Grenzen bekannt. Wir hörten von ihr selbst in Mannheim.«
    »Tatsächlich?«
    »Sie gibt denjenigen, die ihren Rat suchen, kleine Schnitzereien mit weißen Federn mit.«
    »Dann war sie es wohl. Zwei weiße Tauben nisteten auf ihrem Dach. Sie sind wohl nun auch vertrieben worden.«
    »Es waren keine Tiere dort anzutreffen. Aber die wilden Kreaturen meiden Brandstätten für lange Zeit. Immerhin, die fromme Frau muss sich Feinde gemacht haben, Frau Wirtin.«
    »Eine friedfertige, harmlose Frau ohne welt­liche Habe, die den Ruf einer Heiligen hat?«
    »Es gibt Menschen, die neiden sogar das einem anderen. Eben

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