Die Gefährtin des Vaganten
begleitet.«
»Eindrucksvoll.«
»Es heißt, sie hätten ein Schweigegelübde abgelegt. Wenn du also erwägen solltest, deine Tochter zu ihnen zu bringen, wird das Ärger geben.«
»Piet, ich bin kein Unmensch. Melle soll schwatzen, so viel sie will. Und verschleiert braucht sie auch nicht herumzulaufen.«
»Gut so. Ich mag deine Tochter. Du kannst sie auch bei uns lassen.«
»Ihr steht eine hübsche Summe zu. Die wird ihr eine eigene Kammer und ein gutes Leben ermöglichen.«
»Vielleicht will sie das gar nicht?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Vermutlich nicht. Ist auch nicht so wichtig. Wichtiger ist, Magister, was das Gemunkel sagt. Das behauptet nämlich, dass diese verschleierten Damen über ausgesprochen wundertätige Reliquien verfügen.«
»Gott, nicht schon wieder. Die hat doch hier jeder unter dem Betttuch.«
»Schon, aber diese hier stammen von einem besonderen Tuch.«
»Auch hier das Leichentuch Christi?«
»So ist es. Angeblich hüten sie es.«
»Dann verkaufen sie es wenigstens nicht.«
»Nein, aber ich könnte meinen rechten Arm drauf verwetten, dass sie damit einen Hokuspokus anstellen. Sie machten einen ziemlich wohlhabenden Eindruck.«
»Geschäfte machen sie, nicht Hokuspokus. Sei’s ihnen gegönnt, das macht ja schließlich jeder.«
»Gesunde Einstellung, Magister.«
»Wollen wir noch heute nach Brück?«
»Hätte nichts dagegen. Frau Laures Essen ist besser als der Fraß hier.«
»Gut, brechen wir auf.«
Als sie auf der Fähre standen und das Licht langsam am Himmel verblasste, stellte Hagan fest, dass er sich auf seine Kammer und die Gesellschaft der Vaganten freute. Sie waren in den vergangenen Monaten so etwas wie seine Familie geworden.
19. Siegelspiel
Etliche Leute wollen Gott mit Augen schauen, so wie sie eine Kuh betrachten, und wollen Gott genauso lieben, wie sie eine Kuh liebhaben.
Meister Eckhart
Das Abendlicht schwand auch in Poppelsdorf. Auf leisen Sohlen war ein Diener hereingeschlichen und hatte Kerzen entzündet. Große, wohlriechende Wachskerzen, die das prunkvolle Gemach in ihren goldenen Schein tauchten. Golden schimmerte auch der Besatz der weiten, steifen Robe des Mannes, der an seinem Schreibpult saß und nachdenklich ein uralt aussehendes Pergament glatt strich.
Es war so weit. Dieses Pergament musste nun seine Wirkung entfalten.
Erstellt worden war dieses Dokument von einem Otto von Hürth, einem Kreuzritter, der mit Ludwig dem Frommen ins Heilige Land gezogen war. Offensichtlich ein gebildeter Mann, denn er beherrschte die hebräische Schrift. Und in dieser Sprache hatte er den Text verfasst, der als Brief von Joseph von Arimathäa galt. Dieser hatte, wem auch immer, geschrieben, er habe den kostbaren Leichnam, gesalbt mit Myrrhe und Aloe, aus dem Grab geborgen und ihn an geheimer Stelle bestattet, um ihn vor der Schändung durch Ungläubige zu retten. Der Leichnam sei unverweslich und verströme auch noch nach Tagen einen köstlichen Duft.
Das passte hervorragend zu der Geschichte des Nikodemus, der von Josephs Festnahme durch die Juden berichtete, denen er auf geheimnisvolle Weise entkommen war.
Und anschließend war auch Jesu’ Leichnam verschwunden.
Was blieb, waren Leichentücher …
Und eine Option.
Man musste mit Bedacht handeln. Eine Reliquie war nur dann eine anerkannte Reliquie, wenn ein Bischof ihre Echtheit zertifiziert hatte. Nun, auch das war zu machen. Otto von Hürth lebte zur Amtszeit des Erzbischofs Konrad von Hochstaden. Von ihm also sollte das Echtheitszeugnis erstellt worden sein. Gewiss hätte Konrad eine lateinische Übersetzung des hebräischen Dokuments anfertigen und siegeln lassen – nichts leichter als das für einen Mann mit Zugang zu all den Siegeln der früheren Erzbischöfe.
Diese Urkunde würde er seinen treuen Dienern, den Priestern, die er vor der Exkommunikation bewahrt hatte, zuspielen.
Erlösung, sinnierte der geschäftstüchtige Mann in seiner kostbaren Robe, Erlösung war es, womit die Herde gemästet werden konnte. Für vieles waren die Menschen bereit zu zahlen. Für Macht und Ansehen, Liebe und Sicherheit. Aber das höchste Ziel war noch immer Erlösung. Vor allem von törichten Gefühlen. Schuld, Angst, Unsicherheit. Das hatte der heilige Knabe damals in Jerusalem recht gut erkannt. Er hatte seinen Anhängern Erlösung versprochen. Und damit den Grundstein zu einem florierenden Geschäft gelegt, das zur Gründung einer gewaltigen Organisation geführt hatte – der
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