Die Gefahr
sein zu dürfen, doch sie war ein wenig betrunken und außerdem schlecht gelaunt.
Dass sie betrunken war, hatte einen triftigen Grund. Pat Holmes stand wieder einmal absolut im Mittelpunkt. Er war es, über dessen Scherze alle am Tisch lachten, der sich mit jedem unterhielt und der sich anscheinend an jedermanns Namen erinnerte. Irgendwann ging er so weit, Wodka und Apfelschnaps für alle zu bestellen, damit sie auf die Demokratische Partei trinken konnten. Niemand wagte es, sich seinem Wunsch zu entziehen.
Peggy Stealey wusste auch, warum sie schlecht gelaunt war. Schuld daran war die kleine Maus mit den rehbraunen Augen, die nicht, so wie Peggy, irgendwo abseits saß, sondern direkt neben dem britischen Premierminister. Peggys Chef und seine Frau sonnten sich im Licht ihrer prominenten Tischgenossen. Peggy Stealey sah, dass Stokes immer wieder einmal zu ihr herüberblickte. Sie wusste, dass sie immer diesen starken Reiz auf ihn ausüben würde. Er begehrte sie viel mehr, als er seine Frau jemals begehrt hatte. Wenn er wirklich Vizepräsident werden sollte, dann würde sie mit ihm schlafen – aber nur ein einziges Mal. Es würde auf einer Überseereise passieren müssen, wo sie sich ihm einmal eine ganze Nacht lang widmen konnte, bis er nicht mehr wusste, wie er hieß.
Dann würde sie das Ganze wieder abbrechen und warten, ob er es je ganz an die Spitze schaffte. So musste man Martin behandeln, wenn man Macht über ihn haben wollte. Sie würde ihn von dem kosten lassen, was er sich ersehnte, und dann, wenn er in viereinhalb Jahren Präsident werden sollte, würde sie ihm eine weitere denkwürdige Nacht bescheren. Es musste ein berauschendes Gefühl sein, den mächtigsten Mann der Welt in der Hand zu haben und zu beherrschen.
Heute Nacht war jedoch Holmes an der Reihe. Sie würde dafür sorgen, dass er die kleine Libby Stokes vergaß. Es kam aber nicht in Frage, dass sie mit zu ihm nach Hause ging, weil es ihm dort zu leicht gefallen wäre, den Ablauf zu beherrschen. Ihr Haus schied ebenfalls aus. Sie wollte selbst gehen, wann sie wollte, und nicht warten, bis er am Morgen aus dem Bett schlich und verschwand. In diesem Fall würde er ihr vielleicht auch noch eine Nachricht auf einem Zettel hinterlassen und, was noch schlimmer wäre, irgendwann im Laufe des Tages Blumen nach Hause schicken. Nein, er musste ein nettes Hotelzimmer besorgen, und wenn er Libby Stokes auch nur ein einziges Mal erwähnte, würde sie ihn dafür büßen lassen. Wenn sie mit ihm fertig war, würde er ein Jahr lang zum Chiropraktiker gehen müssen.
Das Klingeln ihres Handys rief sie in die Gegenwart zurück. Peggy öffnete ihre perlenbesetzte Handtasche und holte das Handy heraus. Sie war ziemlich überrascht, als sie sah, wer sie anrief. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich vielleicht gar nicht melden sollte – doch dann kam sie zu dem Schluss, dass sie sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen konnte. Es war einfach zu verlockend, den berüchtigten Staranwalt Tony Jackson wissen zu lassen, dass sie gerade an einem Festbankett im Weißen Haus teilnahm, das zu Ehren des russischen Präsidenten und des britischen Premierministers abgehalten wurde.
Sie drückte auf die grüne Sprechtaste und hob das Handy ans Ohr. »Peggy Stealey hier«, meldete sie sich.
Das selbstgefällige Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht, als sie hörte, wie ein vor Wut schäumender Tony Jackson ihr mit äußerst unfeinen Ausdrücken mitteilte, was er mit ihr und dem ganzen Justizministerium machen würde.
76
Ahmed al-Adel saß bereits seit einer Stunde allein in der dunklen Zelle. Er schätzte, dass seit ungefähr zehn Stunden niemand mehr mit ihm gesprochen hatte. Er bekam nichts zu lesen und durfte weder fernsehen noch Radio hören. Das letzte Mal hatte er nach dem Mittagessen mit seinem Anwalt gesprochen. Er hatte keine Uhr und auch sonst keine Möglichkeit, die Uhrzeit zu erfahren, doch es kam ihm so vor, als würden sie jeden Abend um zehn Uhr das Licht ausschalten.
Er war in Einzelhaft und hatte keinerlei Kontakt mit anderen Häftlingen und auch nur sehr spärlichen Kontakt mit den Wärtern. Sie brachten ihm dreimal täglich etwas zu essen, das war alles. Er nahm an, dass sie ihn mit Hilfe der Kamera überwachten, die an der Wand gegenüber seiner Zelle montiert war. Doch das störte ihn nicht. Außerdem hatte er nicht den geringsten Wunsch, mit jemandem zu sprechen. Sogar sein Anwalt ging ihm auf die Nerven, seit er anfing, seine
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