Die Gefahr
ertragen.
Sie näherten sich nun einer engen Biegung im Fluss. Hasan, der das Boot steuerte, zeigte nach links. »Ich glaube, das hier ist Mount Vernon.«
»Was ist das?«, fragte al-Yamani, der neben ihm saß.
»Hier hat George Washington gelebt, der Mann, nach dem sie die Stadt benannt haben. Und vor uns liegt Sheridan Point. Wenn wir das hinter uns haben, werden wir vermutlich die Stadt sehen.«
Al-Yamani lächelte. »Wo ist Khaled?«
Hasan rief seinen Freund, der wenige Augenblicke später bei ihnen war. »Hol den Wissenschaftler«, wies ihn al-Yamani an, »und sag ihm, er soll die Bombe scharf machen.«
»Wenn er fertig ist«, fragte Khaled mit leiser Stimme, »darf ich ihn dann töten?«
Al-Yamani hätte es gern selbst getan, doch er bezweifelte, dass er noch genügend Kraft hatte, um auch nur einen so schwachen Menschen wie Zubair zu töten. »Ja, töte ihn.«
»Danke«, sagte Khaled und ging nach unten. Wenige Augenblicke später kam er mit dem jungen pakistanischen Atomphysiker zurück.
Zubair trug eine Bleischürze und hielt seinen Laptop in der Hand. Al-Yamani wollte ihm schon sagen, dass er die hinderliche Schürze abnehmen solle, ließ es dann aber sein. Sie hatten den ganzen Vormittag nur eine Handvoll Boote gesehen, und im Moment waren sie allein auf dem Fluss.
»Brauchst du Hilfe?«, fragte al-Yamani.
»Nein, ich muss nur wissen, wann die Bombe hochgehen soll.« Zubair blickte auf die Uhr. »Es ist jetzt acht Minuten nach elf.«
»In zwei Stunden.«
Zubair neigte fragend den Kopf. »Wann sind wir am Ziel?«
»Wir sollten in einer Stunde dort sein.«
»Dann haben wir aber nicht viel Zeit, um uns in Sicherheit zu bringen.«
»Es sollte leicht reichen.«
Zubair wollte schon etwas einwenden, überlegte es sich dann aber anders. Die beiden Freunde von al-Yamani hatten ihm in den vergangenen beiden Tagen immer wieder hasserfüllte Blicke zugeworfen, und Zubair hatte das beängstigende Gefühl, dass ihm von ihnen Gefahr drohte. »Gut«, sagte er schließlich.
Zubair trat unter der Plane hervor, die sie vor dem Regen schützte, und trat ans Heck des Bootes. Er hatte Monate damit zugebracht, die Zündvorrichtung zu entwickeln, und war deshalb der Einzige, der die Bombe scharf machen und entschärfen konnte. Mit Hilfe seines Computers würde er nur wenige Sekunden brauchen, um den Countdown zu starten. Zubair öffnete die Kühlbox und bewunderte kurz seine Arbeit. Der radioaktive Metallklumpen war nicht mehr zu sehen; er war unter einer Hülle von Plastiksprengstoff und einem dichten Gewirr von Zündkapseln und sechs voneinander unabhängigen Zündern verborgen. Falls die Bombe durch irgendeinen Zufall entdeckt werden sollte, würde sie kein Mensch rechtzeitig entschärfen können. Die Zündvorrichtungen funktionierten völlig unabhängig voneinander und waren mit einem undurchschaubaren Gewirr von Drähten ausgestattet.
Der pakistanische Wissenschaftler steckte ein Kabel in den Datenport an der Oberseite der Waffe und stöpselte das andere Ende in seinen Laptop ein. Er hielt den Computer mit einer Hand und betätigte mit der anderen die Tastatur. Zubair gab zwei verschiedene Passwortreihen ein, bis er zum richtigen Bildschirm gelangte, und tippte dann die Countdown-Sequenz ein. Er wollte so weit wie möglich weg sein, wenn diese Waffe explodierte. Die Zahlen 02: 00 : 00 erschienen auf den Displays der sechs Zünder. Zubair lächelte angesichts der Tatsache, dass nur er allein noch imstande war, die Explosion zu verhindern. Er gab das letzte Passwort ein und sah, wie auf allen sechs Displays der Countdown begann.
Zubair schaltete den Computer aus, zog das Kabel heraus und schloss die Kühlbox. Er drehte sich um, um wieder unter die schützende Plane zurückzukehren, und sah den stattlichen Khaled direkt vor sich stehen.
»Bist du fertig?«
»Ja«, antwortete Zubair etwas eingeschüchtert. Es gefiel ihm gar nicht, wie ihn die beiden Männer behandelten.
Im nächsten Augenblick packte Khaled den Atomphysiker an seinem freien Arm. Er riss den anderen Arm hoch, in dem er ein Messer hielt, und stach zu – doch er glitt auf dem regennassen Deck ein wenig aus, sodass das Messer nicht in Zubairs Brust landete, sondern gegen dessen Bleischürze prallte, wo es wirkungslos abglitt.
Der Wissenschaftler schrie auf und wollte weglaufen. Dabei riss er den Laptop hoch und traf Khaled damit am Kinn. Dieser brauchte einen Augenblick, um sich von dem Schlag zu erholen, konnte den Pakistani aber gerade
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