Die Gefahr
versetzen könnte, dass unsere Wirtschaft in eine tiefe Rezession stürzt.« Sie betonte ganz bewusst den wirtschaftlichen Aspekt der Sache. »Ich meine, wir sollten etwas unternehmen, und zwar schnell.«
Da Hayes kurz vor dem Wahlkampf für seine Wiederwahl stand, hörte er all das nicht besonders gern. Kleine Unstimmigkeiten mit den Pakistanis konnten ihm wohl nichts anhaben – aber ein schwerer Terroranschlag samt nachfolgender Wirtschaftskrise würde ihn wohl aus dem Sattel heben. Jedenfalls hatte er Irene Kennedy in den drei Jahren, die er sie kannte, noch nie so reden gehört.
Er atmete tief durch und sagte schließlich: »Sie haben meine Zustimmung, aber sagen Sie Mitch, dass er das Ganze so schnell wie möglich durchziehen soll. Es soll nicht nach einer richtigen Operation aussehen, dann kann ich die Sache hinterher als kleines Grenzscharmützel herunterspielen.«
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LOS ANGELES
Die Boeing 747 - 400 der australischen Fluglinie Quantas glitt mit ausgefahrenen Landeklappen auf das Rollfeld des Flughafens Los Angeles herab, das in der Mai-Hitze schimmerte, während die Maschinen reihenweise zu den Gates rollten und sich wieder entfernten, um Passagiere aufzunehmen oder in die Tunnel des Airports zu entlassen. Aus der Luft betrachtet wirkte das Ganze für Imtaz Zubair ziemlich chaotisch. Er schloss die Augen in seiner Businessclass-Kabine und murmelte immer wieder leise das Wort Alhamdulillah vor sich hin. Es bedeutete so viel wie Lob und Dank sei Allah und gehörte zu einem islamischen Rosenkranzgebet. Nachdem sie ihm den Tasbih , die Gebetskette, abgenommen hatten, rieb er Daumen und Zeigefinger aneinander, so als halte er die abgenutzten dunklen Holzkügelchen immer noch in der Hand. Sie hatten ihm eingeschärft, dass er sich in der Öffentlichkeit nicht die leiseste Andeutung auf seinen Glauben erlauben dürfe, doch er konnte einfach nicht anders.
Zubair war mit den Nerven völlig am Ende. Obwohl er Wissenschaftler war, bereitete es ihm jedes Mal arge Probleme, in ein Flugzeug zu steigen. Seine ganze wohlgeordnete Welt der Mathematik und Physik vermochte ihm die Angst vor dem Fliegen nicht zu nehmen. Er wusste, dass diesem Phänomen ein vollkommen logischer Ablauf zugrunde lag: die Flügel sorgten für den Auftrieb und die Triebwerke lieferten die nötige Schubkraft, und so kam es, dass die Maschine fliegen konnte. Es war in der Theorie bewiesen und bewährte sich auch in der Praxis jeden Tag aufs Neue, doch der Wissenschaftler vermochte seine Angst dennoch nicht zu überwinden.
Als ihm einer seiner Vorgesetzten einmal nahe gelegt hatte, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, war Zubair zutiefst gekränkt gewesen. Er war ein Genie, er wusste und spürte Dinge, die den meisten Menschen verborgen blieben. War es möglich, dass seine Flugangst ganz einfach durch seinen hohen Bewusstseinsstand und sein tiefes Verständnis des Universums und seine Beziehung zu Allah verursacht wurde? Zubair sprach mit Gott und war bisweilen imstande, Dinge vorauszuahnen. Er hatte eine sehr wichtige Rolle in dem Kampf übernommen, der im Namen seiner Religion geführt wurde. Mit seinen Kollegen in der Welt der Wissenschaft sprach er nie über solche Dinge. Sie waren einfach zu eindimensional. Religion war für sie lediglich etwas, das naiven Menschen half, den Alltag zu bewältigen. Für Zubair war das ganz anders; die Wissenschaft lieferte für ihn vielmehr den Beweis, dass Gott existierte. Nur sein Gott war mächtig genug, etwas so Großartiges zu schaffen.
Die Maschine setzte so sanft auf, dass Zubair erst merkte, dass sie festen Boden unter sich hatten, als das Flugzeug langsamer wurde. Er öffnete die Augen und blickte aus dem Fenster – erleichtert, dass sie nicht mehr in der Luft waren. Mit einem Lächeln auf den Lippen murmelte er ein kurzes Dankgebet. Leider war seine innere Ruhe nur von kurzer Dauer. Als sich die Maschine dem Gate näherte, verschwand Zubairs Lächeln, und seine Gedanken wandten sich dem nächsten Problem zu.
Imtaz Zubairs Heimatland hatte ihn schlecht behandelt, und er hatte sich dafür revanchiert. Als Mathematikgenie war Zubair in den besten Schulen und Universitäten von Pakistan ausgebildet worden und wurde anschließend nach Kanada und China geschickt, um weiterführende Forschungsarbeit zu betreiben. Er war auf dem Weg, ein großer Wissenschaftler zu werden. Selbst A.Q. Khan, der »Vater der pakistanischen Atombombe«, hatte Zubair versichert, dass er das größte Talent unter den
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