Die Gefahr
jungen Wissenschaftlern Pakistans sei. Zubair glaubte, dass er allein dank seiner Begabung dorthin gelangen werde, wo er hinwollte, doch dem war nicht so. Er musste feststellen, dass Politik und Beziehungen wichtiger waren als Leistung und dass seine Religiosität Eifersucht bei seinen Kollegen weckte. Sein großer Traum war es, mit Dr. Khan zusammenzuarbeiten, doch schließlich verschworen sich alle gegen ihn, um die Erfüllung dieses Traums zu vereiteln.
Er hatte dennoch weiter gehofft, dass ihm sein gutes Verhältnis zu Dr. Khan helfen würde, sein Ziel doch noch zu erreichen – doch seine Hoffnung starb an dem Tag, als General Musharraf und seine Clique von Offizieren in einem unblutigen Staatsstreich die Macht übernahmen. Musharraf war ein gottloser Bastard, der in Wahrheit das tat, was die Amerikaner wollten. Dem Druck seiner Gönner nachgebend, begann der General, alle wahrhaft Gläubigen aus den Forschungseinrichtungen der Atomphysik zu entfernen.
Zubair war einer der Ersten, die gehen mussten; sein Exil war das grauenhafte Atomkraftwerk von Chasnupp in Zentralpakistan, wo er wie ein Hund siebzig Stunden und mehr in der Woche schuften musste. Er war bereits völlig verbittert, als eines Tages eine Fügung des Schicksals sein Leben veränderte. Ein Sendbote Allahs kam in die entlegene Gegend, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. Als er an einem Freitagnachmittag die baufällige Moschee verließ, kam der Mann auf ihn zu, als wäre er der Erzengel Gabriel persönlich. Allah hatte eine so überaus wichtige Mission für Zubair, dass er unverzüglich mit dem Fremden aufbrach.
Es war der Beginn einer Pilgerfahrt, die ihn in den Iran, zum Kaspischen Meer, nach Kasachstan und weiter nach Südostasien, Australien und jetzt sogar nach Amerika führte. Das Reisen war für ihn alles andere als angenehm, doch es brachte ihn, so wie alle anderen Schwierigkeiten, die er im Leben zu meistern hatte, Allah nur noch näher. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie dekadent die Menschen in den verschiedenen Ländern waren, und das gab ihm die Gewissheit, dass er für eine gerechte Sache kämpfte.
Das Flugzeug kam zum Stillstand, und Zubair spürte, wie sich erneut alles in ihm zusammenkrampfte. Er zog ein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn und der Oberlippe. Ohne seinen Schnurrbart fühlte er sich seltsam nackt, doch es war nun einmal nötig gewesen, ihn abzunehmen. Es gehörte zu seiner Mission, dass er so wenig wie möglich auffiel. Sein Haar war kurz geschnitten und modisch frisiert. Statt der gewohnten Brille trug er Kontaktlinsen; außerdem hatten ihn seine Auftraggeber komplett neu eingekleidet.
Die Passagiere erhoben sich von ihren Plätzen und packten ihre Sachen zusammen. Zubair selbst hatte es nicht allzu eilig; er fürchtete, man könnte ihm seine Nervosität ansehen, sobald er sich bewegte. Als die meisten Fluggäste bereits ausgestiegen waren, nahm er seine Computertasche und stieg die schmale Treppe hinunter, die in die Hauptkabine des Flugzeugs führte. Er stellte sich vor, dass bereits einige Männer in Anzügen auf ihn warten könnten, doch das war zum Glück nicht der Fall. Man hatte ihn darauf vorbereitet, dass es den Amerikanern sehr oft gelang, Leute abzufangen, die illegal in ihr Land einreisen wollten.
Zwei Flugbegleiterinnen, die ihm mit ihren geschminkten Gesichtern und ihren viel zu kurzen Röcken wie Huren erschienen, standen an der Tür. Sie bedankten sich bei ihm, dass er mit Qantas geflogen war. Entgegen den Anweisungen, die man ihm mitgegeben hatte, ignorierte er die beiden Frauen und sah ihnen nicht in die Augen. Zum Glück für ihn war er klein gewachsen und wirkte dadurch eher schüchtern als feindselig. Zubair war nur einen Meter siebenundsechzig groß und wog gerade fünfundsechzig Kilo. Ohne Schnurrbart konnte man ihn leicht für fünf bis zehn Jahre jünger halten, als er mit seinen neunundzwanzig Jahren war.
Er reihte sich in die Menge der Passagiere ein, die zur Gepäckausgabe und zum Zoll hasteten. Das Gedränge und die Hitze in dem Tunnel verursachten ihm einen Schweißausbruch. Zubair fühlte sich so, als schreite er voran zu seiner eigenen Exekution. Nun gab es kein Zurück mehr. Immer noch strömten Passagiere aus dem Flugzeug und drängten nach vorne in den engen Tunnel, der direkt zu den amerikanischen Zollbeamten führte, die allerlei unbequeme Fragen stellen würden. Zubair wünschte sich plötzlich, er hätte das Beruhigungsmittel genommen, das sie
Weitere Kostenlose Bücher