Die Gefahr
männlichen Verwandten begleiten zu lassen, und zeigten ihre Gesichter völlig unverhüllt. Viele von ihnen fuhren sogar mit dem Auto.
Al-Adel hatte einem Onkel gegenüber sein Missfallen an diesen Unsitten ausgedrückt, doch der Mann hatte absolut nichts unternommen. Seine Cousinen machten sich sogar hinter seinem Rücken über ihn lustig. Sie lachten ihn aus, weil er so schmächtig gebaut war und an den Traditionen seines Glaubens festhielt. Sie dachten, er bemerke es nicht, doch er hörte sie sehr wohl hinter seinem Rücken tuscheln und kichern. Diese Mädchen waren wie eine Schar gackernder Hühner, die keine Ahnung von ihrem gottgewollten Platz in der Welt hatten. Doch das würde sich bald alles ändern. Al-Adel und seine Mitstreiter würden einen Funken zünden, der zu einem weltweiten Dschihad führen würde.
Er trat in den Hof hinaus und ging zu seinem Lastwagen, wo zwei Männer standen und sich unterhielten. Einer der beiden kam auf al-Adel zu und umarmte ihn herzlich.
»Allahu akbar.« Gott ist groß.
Al-Adel erwiderte den Gruß. »Allahu.«
»Ich habe alles persönlich überprüft. Er wird dich an dein Ziel bringen.«
»Danke.« Al-Adel klopfte ihm auf die Schulter. »Hoffentlich sehen wir uns in der Heimat wieder.«
»Wenn nicht, dann im Paradies«, sagte der Mann mit einem stolzen Lächeln.
»Ja.« Al-Adel strahlte vor Zuversicht. »Vergiss nicht, was ich dir gesagt habe. Wenn du bis zehn Uhr vormittags nichts von mir hörst, dann rufst du die Nummer an, die ich dir gegeben habe.«
Der Mann nickte. »Ich weiß genau, was ich zu tun habe. Fahr ruhig los.«
Die beiden Männer umarmten einander noch einmal, und al-Adel stieg in das Führerhaus des Lastwagens. Der dritte Mann kletterte auf den Beifahrersitz; in seinem Hosenbund steckte eine Pistole. Al-Adel ließ den Motor an und legte den Gang ein.
»Seid vorsichtig«, rief ihnen der Mann neben dem Wagen zu.
Al-Adel lächelte ihm zu und nickte. Er hatte gelernt, diese großen Laster zu fahren. Seit fast einem Jahr fuhr er dreimal die Woche von Atlanta nach Charleston. Keine dieser Fahrten war auch nur annähernd so wichtig gewesen wie die heutige, doch zweifellos würde ihm Allah seinen ganz besonderen Schutz gewähren.
26
WASHINGTON D.C.
Peggy Stealey hatte einen ziemlich turbulenten Traum. Sie hatte ihrem Karatelehrer gerade einen heftigen Tritt in die Genitalien versetzt, doch damit nicht genug. Blitzschnell und mit absoluter Präzision ließ sie seinem Solarplexus, seinem Hals und seiner Nase eine ähnliche Behandlung zuteil werden. Den letzten Schlag hatte sie besonders vorbildlich ausgeführt, sodass der Mann mit blutender Nase zu Boden ging. Sie sah sich selbst, wie sie über ihm stand, die Haare zerzaust, die Wangen gerötet und die Haut glänzend vom Schweiß. Wie sie so zufrieden mit sich und ihrer Leistung dastand, passierte plötzlich etwas, das eigentlich nicht in ihren Traum passte.
Sie schlug die Augen auf und blickte zu ihrem Wecker hinüber. Die blauen Ziffern sagten ihr, dass es 2:28 Uhr nachts war. Rasch wurde ihr bewusst, dass ihr Triumph nur im Traum stattgefunden hatte, was sie doch einigermaßen ärgerte. Es war der beste Traum seit Monaten gewesen. Peggy legte sich wieder auf das Kissen und schloss die Augen. Natürlich, es war zu schön, um wahr zu sein, dass sie es diesem Sadisten von Karatelehrer ordentlich gegeben hatte. Sie hoffte, dass sie dort weiterträumen würde, wo sie aufgehört hatte, wenn sie rasch wieder einschlief.
Einige Sekunden später erkannte Peggy, was sie aus dem Traum gerissen hatte. Ihr Pager drüben auf der Frisierkommode vibrierte. Sie griff nach einem Kissen und drückte es sich auf den Kopf. Sie wollte so gern in ihren Traum zurückkehren. Reichte es denn nicht, dass sie jeden Tag zwölf Stunden arbeitete? Sie stand fast täglich um fünf Uhr auf und nahm sich fast immer Arbeit mit nach Hause. Wenn sie Glück hatte, konnte sie fünf Stunden schlafen, ehe sie wieder aus den Federn musste. Konnte man da nicht verlangen, dass man wenigstens zwischen Mitternacht und Sonnenaufgang ungestört blieb?
Peggy Stealey schleuderte das Kissen quer durch das Schlafzimmer und verfluchte sich selbst, weil sie nicht den Mut hatte, das verdammte Ding zu ignorieren, das sie zur Pflicht rief. Kein Wunder, dass sie es nicht schaffte, eine feste Beziehung einzugehen. Sie hatte ja nicht einmal Zeit für sich selbst, geschweige denn für einen anderen.
Sie schwang ihre langen Beine aus dem Bett und ging zum
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