Die gefangene Braut
Wakefield. Es ist erfrischend, wenn jemand frei heraus redet.«
In der darauffolgenden Nacht lag Philip in seinem kleinen Hotelbett und verfluchte sein Pech, ausgerechnet John Wakefield über den Weg gelaufen zu sein. Dieses Zusammentreffen hatte dazu geführt, daß Christina wieder überdeutlich vor seinen Augen stand. Er hatte gehofft, sie vergessen zu können, aber es war ihm unmöglich. Allnächtlich spukte ihr Bild durch seinen Kopf: ihr wunderbarer schlanker Körper, der unter seinem lag; ihr Haar, wenn das Licht darauf fiel; ihre blaugrünen Augen und ihr verlockendes Lächeln. Allein der Gedanke daran ließ ihn erregen. Er begehrte sie immer noch, obwohl er sie nie mehr haben würde.
Anfangs war Philip entschlossen gewesen, in Ägypten zu bleiben. Er konnte nicht nach England zurückkehren und Gefahr laufen, versehentlich auf Christina zu treffen. Doch wohin er auch sah, sah er nur sie. Im Zelt, im Teich, in der Wüste – überall. Er konnte sie einfach nicht aus seinen Gedanken verbannen, solange er in Ägypten blieb.
Philip hatte bereits vor vier Monaten nach England zurückkehren wollen. Aber dann war Amines Bruder Amair in sein Lager zu Besuch gekommen und hatte Philip die Wahrheit über Christinas Entführung erzählt. Rashid hatte die gesamte Geschichte ausgeheckt. Er hatte Philips Tod herbeigewünscht, um selbst Scheich zu werden.
Rashid war nie mehr ins Lager zurückgekehrt, nachdem er Christina zu ihrem Bruder zurückgebracht hatte. Philip hatte Rashid vier Monate lang gesucht, aber Rashid war vom Erdboden verschwunden.
Am Tag vor der Abreise seines Schiffes hatte Philip nichts Besseres zu tun, und daher ging er zum Markt und schlenderte zwischen den offenen Verkaufsständen und den kleinen Läden herum. In den Straßen wimmelte es von arabischen und ägyptischen Händlern. Wohin Philip auch blickte – überall sah er Kamele, die mit Handelsware schwerbepackt waren.
Der Duft von Parfüms und Essenzen hing in der Luft und rief Philip in Erinnerung, wie er zum erstenmal über diesen Markt gelaufen war, vor rund vierzehn Jahren. Damals war er erst zwanzig gewesen, und Ägypten war für ihn ein fremdes und erschreckendes Land. Er war gekommen, um seinen Vater zu suchen, aber er hatte keine Ahnung gehabt, wie er vorgehen sollte. Er hatte nichts weiter gehabt als den Namen seines Vaters und die Information, daß er der Scheich eines Wüstenstammes war.
Philip hatte viele Wochen damit zugebracht, durch staubige Straßen zu laufen und die Leute zu fragen, ob sie Yasir Alhamar kannten. Schließlich hatte er erkannt, daß das zu nichts führte. Sein Vater war ein Mann der Wüste, und daher hatte Philip einen Führer engagiert, der ihn in die Wüste führte. Mit zwei Kamelen, die mit Vorräten beladen waren, waren sie in den sengenden Sand hinausgezogen.
In den schrecklichen Monaten, die darauf folgten, hatte sich Philip mit den Beschwerlichkeiten des Lebens in der Wüste vertraut gemacht. Tagsüber hatte die sengende Sonne auf ihn heruntergebrannt; nachts hatte ihn die eisige Kälte gezwungen, sich dicht an sein Kamel zu kuscheln, um sich zu wärmen.
Sie waren tagelang geritten, ohne ein anderes menschliches Wesen zu treffen. Wenn sie auf Beduinen gestoßen waren, hatten diese entweder nie von Yasir gehört, oder sie hatten keine Ahnung, wo er zu finden war.
Und dann, als Philip die Suche schon aufgeben wollte, waren sie zufällig auf das Lager seines Vaters gestoßen. Nie würde er diesen Tag und den Gesichtsausdruck seines Vaters vergessen, als er ihm mitgeteilt hatte, wer er war.
Philip war in Ägypten glücklich gewesen, aber er hielt es dort nicht mehr aus. Solange er blieb, konnte er Christina nicht vergessen. Da keine Hoffnung zu bestehen schien, Rashid zu finden, hatte er sich endlich doch entschlossen, das Land zu verlassen.
Er würde nach England zurückgehen, Paul über den Tod ihres Vaters unterrichten und dann sein Anwesen verkaufen. Vielleicht würde er nach Amerika gehen. Er wollte irgendwo hingehen, wo er weit fort von Christina Wakefield war.
28
Nach ihrer Zeit im Wochenbett blieb Christina noch einen Monat lang in Victory, und sie machte sich gründlich mit dem kleinen Philip junior vertraut. Sie hatte ihm den richtigen Namen gegeben, denn er war ein Abbild seines Vaters – dieselben grünen Augen, dasselbe schwarze Haar, dieselben ausgeprägten Züge. Er war ein wunderhübsches Baby – gesund und mit einem unersättlichen Appetit ausgestattet. Er war ihre Freude und ihr
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