Die gefangene Braut
– um dein Kind zu finden?« fragte Paul.
»Du sprichst in Rätseln, Paul. Ich sagte dir doch bereits, daß ich keinen Sohn habe!« gab Philip zurück. Er fing an sich zu ärgern.
»Du wirst ihn also nicht anerkennen? Du willst einfach seine Existenz leugnen – so tun, als hätte es ihn nie gegeben?«
»Es gibt keinen Sohn, den ich anerkennen könnte – wie oft muß ich dir das denn noch sagen! Und jetzt solltest du mir eine vernünftige Erklärung liefern, denn du stellst meine Geduld reichlich auf die Probe, Bruder!« brauste Philip auf.
Paul brach in Gelächter aus und ließ sich auf einen Sessel sinken, der Philip gegenüberstand. »Ich will verdammt sein! Sie hat es dir also nicht gesagt? Du weißt von nichts?«
»Nein, sie hat es mir nicht gesagt, und wer zum Teufel ist sie?«
»Christina Wakefield! Mit wem hast du denn sonst in diesem Jahr zusammengelebt?«
Philip sank schockiert auf seinen Sessel zurück.
»Sie hat vor drei Monaten in Victory ein Kind zur Welt gebracht. Natürlich habe ich angenommen, du wüßtest davon, wenn sie in dein Haus zieht, um das Baby zu bekommen. Ich war zufällig dort und habe sie getroffen, als sie gerade abreiste, um wieder nach Hause zu fahren. Sie schien wütend zu sein, daß ich das mit dem Kind erfahren habe. Und sie hat mir erzählt, was du getan hast – wie du sie entführt und sie vier Monate lang als Gefangene gehalten hast. Wie zum Teufel konntest du das bloß tun, Philip?«
»Ich hatte keine andere Möglichkeit, sie zu bekommen. Aber warum ist sie nicht zurückgekommen und hat es mir gesagt?« sagte Philip, mehr zu sich selbst als zu Paul.
»Sie hat gesagt, du wolltest das Kind nicht haben – du hättest sie nicht heiraten wollen.«
»Aber ich habe ihr nie gesagt … « Er unterbrach sich, als ihm einfiel, daß er ihr genau das gesagt hatte. Er hatte gesagt, er hätte sie nicht in sein Lager gebracht, damit sie seine Kinder zur Welt brachte, und ganz zu Anfang hatte er ihr gesagt, er habe nicht die leisesten Absichten, sie zu heiraten.
»Wenn das Kind mir ähnlich sieht, dann beweist das noch lange nicht, daß es mein Kind ist. Christina könnte nach ihrer Rückkehr zu ihrem Bruder schwanger geworden sein.«
»Benutze deinen Verstand, Philip, und rechne den Zeitraum nach. Du hast sie entführt, als sie gerade erst nach Kairo gekommen ist – im September, das stimmt doch?«
»Ja.«
»Du hast sie vier Monate bei dir behalten, und Ende Januar hat sie dich verlassen. Acht Monate später, Ende September, ist das Kind geboren. Also muß es von dir sein. Und außerdem hat Christina mir mehr oder weniger deutlich gesagt, daß es dein Kind ist. Ihre exakten Worte waren: ›Ich habe den Sohn geboren, den Philip nicht haben will‹, und ich könnte dem hinzufügen, daß sie die Absicht hat, das Kind zu behalten und es selbst aufzuziehen.«
»Ich habe einen Sohn!« rief Philip aus, und er schlug mit seiner Faust auf die Stuhllehne, während sein Lachen durch den Raum hallte. »Ich habe einen Sohn, Paul – einen Sohn! Und du sagst, er sieht mir ähnlich?«
»Er hat deine Augen und dein Haar – er ist ein hübscher Junge. Besser hättest du es dir nicht wünschen können.«
»Einen Sohn. Und sie hätte es mir nicht einmal gesagt. Ich brauche eines deiner Pferde, Paul. Ich reite morgen früh sofort los.«
»Du reitest nach Halstead?«
»Natürlich! Ich will meinen Sohn haben. Jetzt muß Christina mich heiraten!«
»Wenn du nichts von dem Kind wußtest – warum bist du dann eigentlich nach England zurückgekehrt?« fragte Paul, während er ihre Gläser nachfüllte. »Bist du wegen Christina zurückgekommen?«
»Ich will sie immer noch, aber ich bin nicht gekommen, um sie zu suchen. Ich bin zurückgekommen, weil ich in Ägypten nichts mehr zu suchen hatte. Yasir ist tot.«
»Das tut mir leid, Philip. Ich habe Yasir nie wirklich ge-
kannt oder an ihn als an meinen Vater gedacht. Aber ich weiß, daß du ihn geliebt hast. Es muß schlimm für dich gewesen sein.«
»Das war es auch, aber Christina hat mir über seinen Tod hinweggeholfen.«
»Ich wünschte, ich wüßte, was zwischen Christina und dir vorgefallen ist«, sagte Paul.
»Vielleicht werde ich es dir eines Tages erzählen, Brüderchen. Aber heute nicht. Ich bin selbst nicht sicher, was eigentlich passiert ist.«
Philip reist am kommenden Morgen bei Anbruch der Dämmerung ab, und während er durch das Land ritt, hatte er Gelegenheit, über die Vorfälle nachzudenken.
Warum war Christina nicht
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