Die Gegenpäpstin
in die Augen. »Wenn es darum ginge, dein Leben zu schützen, würde
ich es wieder tun.«
»Ich weiß«, sagte sie leise und strich ihm über die bärtige Wange. »Ich bin froh, daß du nicht einfach über den Tod zweier
Menschen hinweggehst, auch wenn es ausgemachte Schurken waren.«
Zurück in der Wohnung, verspürte sie den Wunsch nach einer heißen Dusche. Padrig widmete sich dem offenen Kamin.
Das heiße Wasser tat gut, und während sie sich das Haar trocknete, wurde ihr bewusst, daß sie vergessen hatte, sich frische
Wäsche und Kleidung bereitzulegen. Ihr Blick fiel auf einen weißen Frotteebademantel, der an der Badezimmertür an einem Haken
hing. Padrig würde sicher nichts dagegen haben, wenn sie ihn überzog.
Er saß auf dem Sofa in der Nähe des Kamins und schaute überrascht auf, als sie, nur in den weißen Frotteemantel gehüllt, im
Wohnzimmer erschien. Ohne Scheu steuerte sie auf die teure Musikanlage zu und studierte die Auswahl der CDs. Sie konnte förmlich
spüren, wie er ihr mit Blicken folgte. Gedankenversunken murmelte sie die Namen diverser Musikinterpreten vor sich hin, die
sie gerade in Händen hielt.
»Magst du die Band
Cadal deilgneach
?« Sie blickte auf und schaute sich nach ihm um. »Ich habe ihre Musik gehört, als ich ein halbes Jahr auf einer irischen Insel
verbracht habe.«
»Du warst schon mal in Irland?« Seine Miene hellte sich ein wenig auf.
Sie lächelte ihn an, während sie aus den Augenwinkeln heraus bemerkte, wie sich sein Blick magnetisch an den tiefen Ausschnitt
ihres Bademantels heftete. Ihr Bedürfnis, diesen Mann auf andere Gedanken zu bringen, lag nicht nur in seinen traurigen Augen
begründet.
|273| »Experimentalarchäologie«, antwortete sie mit einem lakonischen Augenaufschlag und legte die CD in den Player ein. »Wir haben
dreitausend Jahre alte Leichen ausgebuddelt und versucht ihr Leben zu rekonstruieren, indem wir genauso lebten wie sie damals.«
Sie lachte dunkel auf. »Dieses Leben unterscheidet sich ziemlich von dem, was wir heute kennen.«
Sie ging zum Couchtisch, bückte sich und regelte die Stehleuchte hinunter, bis das prasselnde Kaminfeuer die einzige Lichtquelle
abgab und den modern möblierten Raum beim leisen Spiel einer Flöte und einer Fiedel in eine Höhle in der Urzeit verwandelte.
»So stell ich’s mir ungefähr vor«, bemerkte Padrig mit einem wissenden Lächeln.
Sie schaute ihn an und schwieg für einen Moment, als er sich vor ihren Augen in einen archaischen Ureinwohner Irlands verwandelte,
der wild und bärtig, dem harten Leben trotzte und Frau und Kinder nicht nur vor hungrigen Tieren, sondern auch vor feindlichen
Clans schützte.
»Es war längst nicht so gemütlich wie hier«, erklärte sie ihm schließlich. »Und außerdem gab es keinen Fön.« Sie grinste ihn
an und fuhr sich mit den Fingern durch ihre ungebändigte Mähne, die, obwohl sie beinahe zwanzig Minuten daran herumgefönt
hatte, noch immer nicht trocken war.
Sie setzte sich zu seinen Füßen, ergriff seine Hand und sah zu ihm auf. »Du hast mir heute das Leben gerettet, Padrig.«
Er blickte ihr ins Gesicht und lächelte, dabei drückte er ganz leicht ihre Hand. »Es war eher umgekehrt«, sagte er schlicht.
»Ohne dein Zutun hätte ich jetzt vielleicht eine Kugel zwischen den Rippen. Außerdem möchte ich dir für deine Unterstützung
auf dem Polizeirevier danken.« Er schenkte ihr einen tiefen Blick, der sie schwindlig werden ließ.
»Es ist vorbei, Padrig«, erwiderte sie fest. »Und du kannst nichts dafür, daß es so gekommen ist.«
|274| »Es ist eine schwere Sünde, einem Menschen das Leben zu nehmen«, gab er zu bedenken.
»Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein«, erwiderte Sarah und sah ihn mitfühlend an. »Eine Frage, die noch zu klären
wäre, ist, ob die beiden Männer etwas mit dem Verschwinden des Professors zu tun hatten und ob sie eine Mitschuld am Diebstahl
der Leichen von Jebel Tur’an tragen. Der einzige Grund, warum
ich
den Tod der beiden bedaure: Sie können keine Aussage mehr machen.«
»Hast du keine Angst, daß es noch mehr von den Typen geben könnte und sie es vielleicht nicht nur auf dich, sondern auch auf
den Beginenorden abgesehen haben?«
»Ich habe darüber nachgedacht, aber es ergibt keinen Sinn. Allein weil ich in Israel noch nichts von der Existenz eines Beginenordens
wußte, und der Beginenorden wußte nichts von mir. Außerdem«, sagte sie leise und forderte ihn mit
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