Die Gegenpäpstin
begründeten, und es waren Christen, die sich nicht zu schade waren,
in verschiedenen Weltkriegen Bomben zu segnen. Bruder Andrew sagte einmal zu mir, Christ zu sein sei eigentlich ein nichtssagender
Begriff, solange dieses Christsein nicht mit christlichem Leben erfüllt werde. Damals meinte er den Nordirlandkonflikt, in
dem sich Katholiken und Protestanten beständig den Garaus gemacht haben. Aber du kannst diesen Satz mühelos auf vieles andere
übertragen.«
Sarah stand auf und setzte sich zu ihm auf die Sessellehne, während sie einen Arm um seine Schulter legte und mit der anderen
Hand über sein Haar strich. »Denkst du, Regine und ihre Ordensfrauen gehen den falschen Weg, wenn sie den Vatikan herausfordern
und eine symbolische Gegenpäpstin aufstellen wollen?«
»Nein«, sagte Padrig und schaute ihr mit voller Überzeugung in die bernsteinfarbenen Augen. »Sie hat vollkommen recht mit
dem, was sie tut. Den Frauen gebührt ein gleichberechtigter Platz in der Kirche. Und du spielst eine wichtige Rolle in dieser
Angelegenheit. Du kannst Beweise vorlegen. Maria Magdalena hat wie die übrigen Apostel gelehrt. Und dann die Blutlinie. Du
bist mit Maria Magdalena verwandt. Das bedeutet den Leuten viel. Es wird möglicherweise nicht wenige Christen geben, die glauben,
nur du habest wirklich Anspruch auf einen Platz an der Spitze des Vatikans.«
»Die Blutlinie bedeutet nichts«, stieß Sarah mit einem Seufzer hervor. »Es ist rein biologisch. Eigentlich ist jeder mit jedem
verwandt. Zwischen Maria Magdalena und mir liegen achtzig Generationen. Denkst du ernsthaft, ich bin die einzige, die deren
Mitochondrien-DNA in sich trägt? Ich vielleicht bin die einzige, von der man es weiß, aber es gibt sicherlich noch Tausende,
wenn nicht Millionen andere Männer und Frauen, die diese Blutlinie ebenso in sich tragen.«
|302| Padrig spürte ihren Atem, das Klopfen ihres Herzens an seiner Schulter. »Für mich bist du einzigartig«, flüsterte er. »So
wie sie es war. Ich spüre es. Ganz tief in meinem Herzen.«
Sarah schaute ihn immer noch an, und ihre Augen schimmerten verdächtig. »Narr«, sagte sie lächelnd, und dann küßte sie ihn.
»Bleib bei mir«, wisperte sie schließlich. »Ganz egal, was noch kommt, wir könnten füreinander da sein.«
»Ich kann nicht«, erwiderte er leise, und im gleichen Moment war er sich darüber bewußt, daß er ihr ebenso ins Gesicht hätte
schlagen können.
Sie ließ von ihm ab. »Warum nicht?« fragte sie rauh.
»Weil ich nicht mehr weiß, wer ich bin.« Er schluckte. Plötzlich war ihm zum Heulen zumute. »Ich habe mich den Franziskanern
verpflichtet, ein Gelübde abgelegt, von dem ich noch vor wenigen Tagen überzeugt war, es niemals brechen zu können. Ich habe
mich einem Glauben verpflichtet, von dem ich dachte, er verkörpere die einzige Wahrheit, trotz all seiner Mängel im Alltag.
Jetzt weiß ich gar nichts mehr. Es ist, als hätte man mir meine Seele gestohlen. Ich muß zu mir selbst zurückfinden. Und das
kann ich nur, wenn ich dorthin gehe, wo ich hergekommen bin.«
»Ich dachte, du liebst mich?« Sie sah ihn traurig an.
Padrig nahm ihre Hand und streichelte sie sanft. »Das tue ich auch, und genau deshalb muß ich gehen. Versteh doch, ich hatte
die Wahl, das Richtige zu tun, und habe sie nicht genutzt. Dabei habe ich nicht nur Regine von Brest und ihren Orden enttäuscht.
Ich hab mich selbst enttäuscht, und ich würde dich genauso wieder enttäuschen, wenn ich bliebe.« Er führte ihre Hand an seine
Wange und dann an seine Lippen. »Es tut mir leid«, flüsterte er mit erstickter Stimme.
Ohne ein Wort erhob Sarah sich und ließ ihn im Wohnzimmer zurück. Wenig später erschien sie mit ihrem Rucksack und ihrer Tasche.
|303| »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt gehe«, sagte sie. Dann zückte sie etwas aus ihrem Rucksack und legte es auf den Tisch.
»Leb wohl«, waren ihre letzten Worte.
Padrig stand noch wie versteinert da, als die Tür längst ins Schloß gefallen war. Paß auf dich auf, hatte er noch sagen wollen.
Und in Gedanken werde ich immer bei dir sein. Doch was auch immer noch auf seinen Lippen lag – nun war es zu spät.
Dann erst fiel sein Blick auf den Glastisch. Eine CD lag da, mit einem Stift beschriftet.
Pergamentkopien – Jebel Tur’an, 2007.
|304| 34.
62. n. Chr. – Christenverfolgung
Von Alpträumen geschüttelt, erwachte Mirjam am frühen Morgen.
Allein, durstig und gepeinigt von
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