Die Gegenpäpstin
Sofa.
Sarah wich Regines fragendem Blick aus und fixierte statt dessen eine wertvolle Madonnenfigur aus Holz, die mit offensichtlicher
Leichtigkeit – und ohne Jesuskind – auf einer Mondsichel über dem offenen Kamin balancierte.
»Wie konnte ich nur so etwas Dummes fragen?« fuhr Regine entschuldigend fort.
»Du mußt mir verzeihen. Zwanzig Jahre Schwangerenkonfliktberatung hinterlassen ihre Spuren.«
»Das ist es nicht«, stieß Sarah hervor. »Was wird jetzt aus unserem Projekt. Du und deine Mitschwestern, ihr könnt mich doch
unmöglich als schwangere Gegenpäpstin präsentieren?«
|329| »Wieso nicht?« Regine legte ihren Arm in einer mütterlichen Geste um Sarahs Schultern. »Etwas Ähnliches hatten wir bereits
– eine Päpstin mit Namen Johanna. Das ist zwar schon ein paar Jahrhunderte her, aber gegen eine Neuauflage hätte ich nichts
einzuwenden. Allerdings wünsche ich mir die Wiederholung dieses Aktes unter gänzlich anderen Vorzeichen. Bis heute wird die
Existenz Johannas von der katholischen Kirche strikt abgelehnt. Dabei ist recht eindeutig, daß man sie seinerzeit kurzerhand
in Johann umbenannte. Heutzutage möchte der Vatikan am liebsten gleich gar nichts mehr von ihr wissen. Dabei wurden die rührigen
Kirchenmänner in der Vergangenheit offenbar nicht müde, den Ruf der heimlichen Päpstin zu beschmutzen, wo es nur ging. Letztendlich
war es wohl die Schwangerschaft, die Johann oder – besser gesagt – Johanna den Untergang brachte. Ein Geistlicher beendete
unter Mißachtung seines Keuschheitsgelübdes ihr Papstdasein, indem er ihr ein Kind zeugte, dessen Geburt vor den Augen der
Öffentlichkeit ihre Karriere schlagartig beendete.«
Sarah blickte schockiert auf. »Glaubst du, Padrig hatte ähnliche Absichten?«
Regine kniff die Augen zusammen. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Daß ich von diesem Typen nichts halte, nach allem,
was er getan hat, brauche ich wohl nicht zu betonen, aber ich hatte nicht den Eindruck, daß er dich verführen mußte. Oder
liege ich da etwa falsch?«
»Nein«, stieß Sarah hervor. »Im Gegenteil. Ich war es, die ihn verführt hat.«
Regine seufzte ergeben. »Das ist ja beinahe noch schlimmer«, gestand sie mit einem resignierten Lächeln. »Die katholische
Kirche wird nicht müde, uns als hemmungslose Verführerinnen darzustellen, die nichts anderes im Sinn haben, als die männliche
Hälfte der Bevölkerung ständig zu schamlosen Handlungen zu animieren, die sie im Grunde genommen verabscheuen.«
|330| »Er wollte es genauso«, erwiderte Sarah leise. »Ansonsten hätte er ohne weiteres Protest einlegen können.«
»Hast du schon mal eine Biene gesehen, die gegen die Verlockungen einer Blume protestiert?« Regine grinste, und mit einem
Mal konnte auch Sarah wieder lachen. »Eine schwangere Gegenpäpstin ist auf jeden Fall besser als gar keine, und bei denen,
die unsere Botschaft verstehen, wäre eine schwangere Päpstin sogar ein Segen, verkörpert sie doch das Urweibliche, das alles
Leben bejaht. Nirgendwo offenbart sich Gottes kreativer Wille mehr als in heranwachsendem Leben, das sich nicht dafür interessiert,
was draußen, außerhalb seines ganz eigenen Kosmos geschieht. Es konzentriert sich ganz auf sich selbst, will nur wachsen und
sein. Vielleicht sollten wir uns an diesem Zustand ein Beispiel nehmen und wieder zurückkehren zu unseren Ursprüngen und zu
unserem Dialog mit dem Ganzheitlichen in Gestalt einer großen, göttlichen Mutter, die uns schützt und behütet.«
»Auch wenn die Mutter des Kindes ihr Schicksal nicht selbst gewählt hat?«
»Und doch ist sie die Mutter, selbst wenn sie nicht die geringste Ahnung hat, was das bedeutet. Das System funktioniert auch
ohne ihr Zutun, und es ist das einzige, in dem Männer und Frauen keine Gleichstellung erfahren können. Aber wer auch immer
uns geschaffen hat, wollte, daß wir im Team spielen. Das ist doch die einzig wahre Botschaft.«
»Denkst du, ich muß es Padrig sagen?«
Regine sah sie für einen Moment ratlos an. »Das kannst nur du selbst entscheiden. Aber vielleicht wartest du noch ein wenig.
Deine Schwangerschaft ist noch in einem ganz frühen Stadium. Ich will dir keine Angst machen, aber es kann viel passieren.
Deshalb möchte ich es dir auch überlassen, ob du weiterhin für uns arbeiten willst. Wenn es dir zuviel wird und du aussteigen
willst, so hast du mein vollstes Verständnis.«
»Nein«, sagte Sarah, während sie sich
Weitere Kostenlose Bücher