Die Gegenpäpstin
blendend aussehender Mann begegnete, der sie charmant anlächelte.
»Gehen Sie auch in die Bar?« Er sprach Englisch mit italienischem Akzent.
»Nein, tut mir leid«, erwiderte sie lächelnd. Beiläufig registrierte sie sein schwarzes, gewelltes Haar, die feurigen Augen
und die schneeweißen Zähne. Er war um einiges größer als sie und trug einen eleganten, dunklen Anzug mit einem schwarzen Satinhemd,
das weit offen stand und seine gebräunte Haut nebst Brusthaar wie ein unanständiges Angebot offerierte.
»Sind Sie eben erst angekommen?« Offenbar wollte er das Gespräch in Gang zu halten.
»Ja«, sagte sie nur und senkte den Kopf, um seinem forschenden Blick auszuweichen.
»Wenn Sie möchten«, erwiderte er mit einem charmanten Lächeln, »könnte ich Ihnen die Stadt zeigen!«
»Nein«, erwiderte Sarah ein wenig verdattert. »Ich bin nicht alleine hier.«
Der Mann setzte ein bedauerndes Lächeln auf. »Schade.«
Sarah spürte eine gewisse Erleichterung, als sich der Aufzug öffnete und der Unbekannte ihr in einer galanten Geste den Weg
ins Foyer eröffnete. Entschlossenen Schrittes begab sie sich zum Ausgang. Für einen Moment blieb sie draußen vor dem Hotel |337| stehen und beobachtete das An- und Abfahren eines Taxis. Die untergehende Sonne schimmerte golden über den Dächern Roms, und
die Luft strich sanft über ihre Haut wie ein Seidentuch. Es war wirklich ein herrlicher Abend, der zu einem Spaziergang einlud.
Nach einer kurzen Orientierung nahm sie den Weg in Richtung Vatikan und bog nach einer Weile in die Via Santa Maria zur franziskanischen
Zentrale ab. Nach etwa zwanzig Metern näherte sich hinter ihr ein Fahrzeug. Die Limousine stoppte mit quietschenden Reifen
direkt neben ihr, und jemand riß unvermittelt die Beifahrertür auf. Vor Schreck sprang Sarah zur Seite, als eine dunkelgekleidete
Gestalt aus dem Wagen stürmte und sie packte. Ehe sie sich zur Wehr setzen konnte, verspürte sie einen schmerzhaften Einstich
in ihrem Oberarm. Augenblicklich verschwamm alles vor ihren Augen. Taumelnd ließ sie sich in den Wagen zerren.
Das letzte, was sie sah, war das Gesicht des Mannes aus dem Aufzug. Er saß auf dem Beifahrersitz und drehte sich zu ihr um,
während der Kerl, der sie gepackt hatte, sie auf den Rücksitz preßte. Wie in Trance hob sie ihren Kopf und sah den Ring an
der rechten Hand des Mannes. Ein Widderkopf eingebettet in einen fünfzackigen Stern.
Dann wurde es dunkel um sie herum.
|338| 39.
März 2007 – Rom – Vermißt!
»Padrig! Telefono für dich!« Die Stimme eines spanischen Ordensbruders gellte über den Flur. Padrig schnaubte. Er saß im Ordenhaus
der Franziskaner von Rom auf gepackten Taschen und wartete aufs Taxi. Mit Sicherheit würde dieses Taxi der letzte kleine Luxus
für lange Zeit sein, den er sich leistete.
Sein Flieger nach Kolumbien startete um 12.15 Uhr vom Flughafen Rom-Fiumicino. Von dort aus ging es nonstop nach Bogotá-Eldorado.
»Ich habe keine Zeit mehr, verdammt«, fluchte er, als er nach einem Sprint über zwei Stockwerke das Organisationsbüro des
Ordens erreichte. Unwirsch riß er dem verdutzten österreichischen Bruder Einart, der dort an der Rezeption saß, den Hörer
aus der Hand.
»Bruder Padrig«, meldete er sich hastig.
»Hier ist Regine.«
Padrig stockte für einen Moment der Atem. Mit der Chefin von Sankt Magdalena hatte er am allerwenigsten gerechnet.
»Ich muß Sie sehen.« Ihre Stimme klang hart. »Sofort.«
»Das wird kaum möglich sein«, erwiderte Padrig ungeduldig. »In zwei Stunden geht mein Flieger nach Kolumbien. Das Taxi wartet
bereits.«
»Typisch Kerl«, ereiferte sich die Beginenchefin. »Erst die ganze Welt in Brand setzen und dann einfach abhauen.«
»Es tut mir leid, Regine.« Padrig versuchte ruhig zu bleiben. »Ich verstehe, wenn Sie immer noch wütend sind, aber ich habe
jetzt wirklich keine Zeit, die Sache noch einmal zu diskutieren.«
»Wütend?« zischte Regine von Brest so laut, daß Padrig den Hörer in einem Reflex ein Stück weit von seinem Ohr entfernte. |339| »Hier geht’s nicht darum, ob ich wütend bin oder nicht. Was haben Sie mit Sarah angestellt. Wo ist sie?«
Padrig hatte das Gefühl, als ob ihm ein Blitz in den Magen fuhr. »Sarah? Was ist mit ihr?«
»Sie wurde entführt. Wir sind gestern nachmittag in Rom angekommen, und seit gestern abend wird sie vermißt. In drei Tagen
soll die Kundgebung stattfinden.«
»Haben Sie die Polizei verständigt?« Für einen
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