Die Gegenpäpstin
geschlossen und atmete tief durch, als der vermeintliche Doktor ihren Blutdruck prüfte. Sie versuchte
sich etwas anderes vorzustellen, dachte an Padrig und ihr Kind, aber auch das half ihr nicht viel. Die ganze Prozedur war
zu entwürdigend und angsteinflößend.
»Das war’s schon«, erklärte der Weißkittel endlich und wandte sich ab. Ein weiterer schwarzgekleideter Mann betrat den Raum.
Auf einer Hand balancierte er ein Tablett mit einem abgedeckten Teller und einem Glas Saft. Bevor er es auf dem einzigen Tischchen |354| abstellte, legte er mit der anderen Hand einen zusammengefalteten Stapel Kleidung auf den danebenstehenden Stuhl.
Sarah stutzte, als der Mann den gewölbten Deckel vom Teller abnahm und außer ein paar exotischen Früchten und einer Scheibe
Knäckebrot verschiedene Pillen zum Vorschein kamen. »Essen Sie das«, sagte der Alte im weißen Kittel in einem eigentümlichen
Befehlston. »Es wird Sie beruhigen und zugleich aufmuntern. Morgen steht noch eine abschließende gynäkologische Untersuchung
an, und dann werden Sie dem Erhabenen zugeführt. Er kann es kaum erwarten, den Kelch der Makellosigkeit mit seinem heiligen
Blut anzufüllen.«
Sarah spürte, wie sich alles in ihr zusammenzog, kaum hatten die Männer die Stahltür hinter sich geschlossen, stürzte sie
zu der stählernen Toilettenschüssel und erbrach sich in einem Schwall, so lange, bis nur noch Galle zum Vorschein kam.
|355| 41.
März 2007 – Morgenstern
Es war bereits nach zehn Uhr abends. Die meisten Brüder hatten sich zur Ruhe begeben. Padrig lag auf seinem Bett, vollständig
angekleidet, als ob er jeden Moment in den Krieg ziehen müßte. Er starrte hilflos an die Decke und machte sich schwere Vorwürfe.
Er hätte Sarah nicht einfach in Köln zurücklassen dürfen, aber letztendlich hatte er nicht den Mut gehabt, eine andere Entscheidung
zu treffen. Er hatte es einfach nicht über sich gebracht, zu seinen Gefühlen zu stehen, erst recht nicht, als sie seine E-Mail
unbeantwortet ließ. Anschließend hatte er sich in seinem Elend gesuhlt und war zu dem Schluß gelangt, daß es nicht nur für
ihn besser wäre, sie zu vergessen.
Nachdenklich faltete er seine Hände und betete.
Herr im Himmel, beschütze sie und das Kind. Wo immer sie auch sein mögen.
Regine von Brest hatte vollkommen recht. Er war ein verantwortungsloser Trottel. Am Nachmittag hatte er sie angerufen und
ihr von der baldigen Ankunft des israelischen Ermittlers berichtet. Sie selbst war damit beschäftigt, sämtliche Pressevertreter
und ankommende Mitstreiter auf spätere Informationen zu vertrösten, was den genauen Ablauf der Kundgebung betraf.
Plötzlich klopfte es, und Bruder Nguyen Van Ho, ein schmächtiger Vietnamese, der in der Rezeption der Zentrale der Franziskaner
den Spätdienst verrichtete, trat ein und meldete einen Besucher an.
»Unten steht ein Mann in der Halle. Er sagt, er komme direkt aus Israel. Du weißt angeblich Bescheid«, erklärte Bruder Nguyen.
»Ich war unsicher, ob ich ihn hinauflassen sollte.«
Inspektor Raul Morgenstern schaute sich interessiert um, als Padrig ihn wenig später in sein kleines Apartment bat. Der hochgewachsene
Mann aus Israel zeichnete sich durch einen festen Händedruck und unbestechliche Gesichtzüge aus. Während er |356| einen zerknitterten Trenchcoat auszog und über einem Sessel ablegte, kam seine hagere Gestalt zum Vorschein, die mit einem
schlechtsitzenden dunkelblauen Anzug bekleidet war
Padrig bot dem Inspektor einen Platz auf der schmalen Gästecouch an. Nachdem sein Gast sich gesetzt hatte, stellte Padrig
zwei Gläser und eine Flasche mit stillem Wasser auf den Tisch. »Möchten Sie noch etwas essen?« fragte er fürsorglich.
Morgenstern schüttelte den Kopf. »Wir sollten gleich zur Sache kommen.« Er packte seinen Laptop aus und stellte seine Reisetasche
beiseite. »Ich bin sofort mit dem Taxi vom Flughafen hierhergefahren. Also wundern Sie sich nicht, wenn Ihnen niemand Bescheid
geben konnte.«
»Ich bin froh, daß Sie da sind«, versicherte Padrig und ließ sich auf einem Stuhl gegenüber dem Inspektor nieder. »Ich werde
noch verrückt, wenn ich weiter so untätig herumsitzen muß.«
»Das wird sich hoffentlich bald ändern«, bemerkte Morgenstern, während er ein paar Bilder auf dem Display seines Laptops aufrief.
»Woher kennen Sie Doktor Rosenthal? Sind Sie miteinander befreundet?« Er rief ein Programm auf und schaute Padrig neugierig
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