Die Gegenpäpstin
an. »Verstehen Sie mich nicht falsch. Ein christlicher Mönch und eine Jüdin. Hat es mit der Archäologie zu tun? Ich weiß von
den Franziskanern in Galiläa, die dort verschiedene Ausgrabungsprojekte betreuen.«
»Nein«, gestand Padrig leise. »Es ist ganz anders.«
Morgenstern reagierte reichlich erstaunt, als er die genauen Hintergründe von Sarahs Aktivitäten und Padrigs Rolle darin erfuhr.
»Kol hakawod!«
entfuhr es ihm. »Alle Achtung! Und wie steht der Vatikan zu dieser Entführungsgeschichte? Oder wissen die hohen Herrn noch
nichts von ihrem Glück?«
»Nachdem ich die Nachricht von Sarahs Verschwinden erhalten habe«, antwortete Padrig, »bin ich unverzüglich zu Kardinal Lucera
gegangen. Nach allem, was er zuvor von mir verlangt hat, |357| ließ mich der Gedanke nicht los, er könne in die Sache verwickelt sein.«
»Wie hat er reagiert?«
»Er hat meine Vermutungen wutentbrannt zurückgewiesen und mich von der Schweizer Garde hinauswerfen lassen. Seltsamerweise
hat er seit meinem mißlungenen Einsatz in Deutschland nichts weiter unternommen, um die Frauen aufzuhalten.«
»Das verheißt nichts Gutes.« Morgenstern legte seine Stirn in noch tiefere Falten.
»Sie sollten noch etwas wissen, Inspektor«, gestand Padrig leise. Dann zögerte er. »Sarah ist schwanger, und das Kind ist
von mir.«
Der Inspektor hob interessiert eine seiner buschigen Brauen, sagte aber nichts.
»Es ist noch ganz früh«, fuhr Padrig eilig fort. »Fünfte Woche. Sarah bedeutet mir sehr viel. Ich wüßte nicht, was ich täte,
wenn ihr etwas zustoßen sollte.«
»Kennen Sie Sarahs Vater?« Morgenstern lachte trocken.
»Nein.« Padrig schaute ihn verwirrt an.
»Er ist Rabbi, ein ziemlich strenger Mann. Wenn er erfährt, was hier vorgeht und daß ein Christ seine Tochter geschwängert
hat, mache ich mir beinahe mehr Sorgen um Sie als um Sarah.« Er lächelte, als er Padrigs verständnislose Miene bemerkte, und
tätschelte ihm kameradschaftlich die Schulter. »Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als sie zu finden. Der alte Rosenthal
reißt mir den Kopf ab, wenn ich seine Tochter nicht unversehrt zu ihm nach Haifa zurückbringe. Ich habe ihn in den vergangenen
Wochen oft besucht. Obwohl ihm bisher gnädigerweise entgangen ist, was seine Tochter wirklich in Europa treibt, ist er schier
krank vor Angst. Glauben Sie mir, er liebt Sarah weit mehr, als wir es uns vorstellen können.«
Inspektor Morgenstern rief ein Bild auf, das exakt das Symbol zeigte, über das Padrig zuletzt mit Erzbischof Pablo Mendez |358| gesprochen hatte – einen ominösen Widderkopf mit nach unten gesenkten Hörnern, eingebettet in einen fünfzackigen Stern.
»Es ist ein uraltes Symbol«, erklärte Morgenstern nüchtern. »Es deutet auf den Dämon Belial hin, der bereits vor mehr als
zweitausend Jahren eine Rolle in den gnostischen Evangelien spielte.« Der Inspektor sah Padrig fragend an. »Sie sind katholischer
Theologe, also brauche ich Ihnen nichts über die Funde von Qumran zu erzählen, nicht wahr?«
Padrig nickte. »Man sagt, es seien Essener gewesen, die diese Schriften verfaßt haben, aber soweit ich weiß, sind längst nicht
alle Pergamente veröffentlicht worden.«
»Die Funde von Qumran haben insofern mit diesem Zeichen zu tun, als daß der Name Belial dort auftaucht, ebenso wie der Begriff
›Söhne des Lichts‹. Ob es jedoch Essener waren, die diese Schriften verfaßt haben, ist nicht gesichert, auch nicht, ob ihnen
dieses seltsame Symbol bekannt gewesen sein dürfte. Nach allem, was ich mittlerweile gehört und gelesen habe, verbirgt sich
eine weitergehende Bedeutung dahinter, die nur die wenigsten kennen, selbst wenn eine ähnliche Form heutzutage gerne von Satanisten
in Zusammenhang mit einem Stierkopf verwendet wird. Der Ursprung dieser Bedeutung liegt ebenfalls mehr als zweitausend Jahre
zurück, und schließlich gab es außer den Essenern noch andere Glaubensvarianten, die sich eines Dämons und seiner Gegenspieler
bedient haben.« Morgenstern nahm einen Schluck Wasser und sah Padrig an, um zu prüfen, ob er ihm folgen konnte.
»Es wird immer wieder behauptet, die Juden tragen eine Mitschuld am Tode von Jesu Christi«, fuhr er dann fort, »doch wenn
man es nüchtern betrachtet, verhält es sich so, als ob man Äpfel mit Birnen vergleicht. Jesus war wie all seine Anhänger selbst
ein Jude, was heutzutage gerne vergessen wird, und es gab zu seinen Zeiten unzählige Sekten und
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