Die Gegenpäpstin
blickte Sarah seufzend an. »Weiter«, sagte er. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, daß er sich bereits länger als eine
Stunde in dem Gebäude aufhielt. Morgenstern hatte mit Gewißheit nicht auf ihn warten können, aber wie sollten sie ohne die
Hilfe des Inspektors hier je wieder hinauskommen?
Sarah sah müde und niedergeschlagen aus. Trotzdem trieb Padrig sie weiter voran. Die Treppe hinauf, bis zu einer Tür, die
ihm bekannt vorkam. Mit dem Daumen ließ sie sich ohne weiteres öffnen, und plötzlich standen sie in der Wäschekammer, ohne
daß ihnen noch jemand in die Quere gekommen wäre.
Von ferne sah er die Wäscheberge. Noch immer unberührt, vermittelten sie ihm ein Gefühl von rettender Zuflucht.
»Warte hier einen Moment«, sagte er leise, während er Sarah in eine Nische zwischen zwei Regalschränke schob, um in geduckter |408| Haltung nachzuschauen, ob die Luft rein war. Gleichzeitig zückte er sein Mobiltelefon, das endlich wieder ein Netz anzeigte.
Doch bevor er einen Kontakt zu Morgenstern herstellen konnte, nahm er hinter sich ein Poltern und einen erstickten Schrei
wahr.
In einer Routine, die er selbst nicht für möglich gehalten hatte, zückte er die Desert Eagle und zielte kaltblütig auf einen
jungen Mann, der wie aus dem Nichts im Türrahmen erschienen war und Sarah eine Pistole an den Kopf hielt.
»Wenn du schießt, ist sie tot.« Die kalten Augen seines Gegenübers und die brutale Art, wie er seine Hand in Sarahs Haar gekrallt
hatte und ihr den Kopf zurückriß, ließen keine Zweifel, daß er es ernst meinte, und doch war Padrig sicher, daß der Wachmann
es nicht wagen würde, Sarah zu töten. Der verrückte Nero brauchte sie lebend.
Padrig hielt die Waffe weiterhin im Anschlag. Es blieb ihm gar nichts anders übrig, als den Wächter außer Gefecht zu setzen.
Damals, in Nordirland hatte er es vermocht, mit einer Pistole aus hundert Yards Entfernung ins Schwarze einer Zielscheibe
zu treffen. Ein dumpfes Plopp ertönte, und lautlos löste sich die Hand des Kidnappers aus Sarahs Haar. An der Schußhand getroffen,
stürzte er mit einem überraschten Keuchen zu Boden.
Mit einem erstickten Aufschrei sprang Sarah zur Seite. Die Waffe, die der Mann eben noch auf sie gerichtet hatte, war ihm
aus der Hand gefallen. Padrig schoß noch einmal und traf den Wächter in den Unterschenkel. So getroffen, war es ihm nicht
mehr möglich, sie zu verfolgen.
Atemlos lief Padrig auf Sarah zu, packte ihren Arm und zog sie die Treppe hinauf zum Ausgang in den Hof.
Warme Frühlingsluft schlug ihnen entgegen. Einen Moment lang konnten sie aufatmen, doch sie waren noch lange nicht gerettet.
Von Morgenstern und dem Wäschetransporter war weit und breit nichts zu sehen. Statt dessen liefen bewaffnete Wachleute über
den Hof, und zwei große Dobermänner sprangen aufgeregt |409| um sie herum. Eine Sekunde noch verharrte Padrig mit Sarah im Eingang, dann deutete er mit dem Kopf nach rechts, und sie rannten
Hand in Hand zur Rückseite des Castellos. Ein breiter, ordentlicher Kiesweg führte direkt zur beinahe drei Meter hohen Außenmauer.
Dahinter lag, wie Padrig wußte, ein Lavendelfeld, das sie durchqueren mußten, um zur Hauptstraße zu gelangen. In den hohen
Sträuchern konnten sie Schutz finden, für den Fall, daß man auf sie schießen würde. Während sie keuchend voranstürmten, vernahm
Padrig hinter sich das Keifen der Hunde. Erbarmungslos wandte er sich um und schoß vor den zähnefletschenden Tieren in den
Kies. Von aufspritzenden Steinchen getroffen wich einer der Hund jaulend zurück, während der andere respektvoll, die Gefahr
witternd, auf Abstand blieb, aber natürlich hatten die Wachleute sie nun entdeckt.
Salven aus Maschinenpistolen strichen über sie hinweg. Anscheinend wagte man es tatsächlich nicht, auf Sarah zu zielen.
Padrig schlug einen Haken, um sich und Sarah, die er hinter sich her zog, aus dem Schußfeld zu bringen. Zusammen mit ihr rannte
er in einen alten Pferdestall. Der Geruch von Dung schlug ihnen entgegen, und die fünf oder sechs edlen Rösser schnaubten
unruhig in ihren Boxen, als Padrig und Sarah an ihnen vorbeihasteten, um auf der anderen Seite des Stalls ins Freie zu gelangen.
Nachdem sie das Tor passiert hatten, warf Padrig die breite Stalltür zu und verriegelte sie von außen mit einer Mistgabel,
die griffbereit dagestanden hatte. Dann liefen sie weiter auf die Mauer zu.
Da die alte Mauer von Kameras überwacht wurde,
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