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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verriet aufrichtiges Mitgefühl.
    »Sie starb kurz nach meiner Geburt«, sagte Sarah leise. »Sie hatte eine Infektion, die zu spät erkannt wurde.«
    Leah, die nur die Hälfte verstanden hatte, aber doch genug, um zu wissen, daß es um ihre Konkurrentin ging, hatte Markert
     den Mantel abgenommen und wies ihm mit einem mürrischen Blick den Platz rechts neben dem Hausherrn zu, der allerdings noch
     nicht anwesend war.
    Interessiert ließ der Deutsche seinen Blick über Fensterbänke und Kommoden gleiten. Überall hatte man silberne Leuchter und
     einzelne Kerzenständer aufgestellt. Darüber hinaus schmückten etliche andere Gegenstände, die im jüdischen Alltag ihren regelmäßigen
     Gebrauch fanden, das großzügige Zimmer, wie etwa ein Kiddusch-Becher, eine Gewürzdose für Hawdala oder eine silberne Spendenbüchse,
     die wohl mehr symbolisch für die Verpflichtung zu regelmäßigen Geldspenden an Arme und Bedürftige aufgestellt worden war.
     In der Mitte des Raumes, direkt über dem ausladenden Holztisch, hing eine monströse Pendellampe, einer Waage ähnlich, die
     mit zwei tellergroßen Milchglasschalen versehen war. Cremefarbener Damast, verschiedenes Silberbesteck, weißes Porzellan und
     Kristallgläser zierten die vornehme Tafel. Leah legte noch ein Gedeck auf und verschwand dann in der Küche.
    |43| »Meine Mutter war die Tochter eines Schuhfabrikanten«, erklärte Sarah, da ihr die Verwunderung des deutschen Kollegen nicht
     entgangen war. »Ihre Familie ist aus der Schweiz eingewandert. Sie war die einzige Tochter meiner Großeltern und hat ein stattliches
     Erbe mit in die Ehe gebracht. Vom Gehalt meines Vaters hätte sich unsere Familie all diesen Luxus nicht leisten können.«
    Markert nickte wie ertappt.
    »Wenn Sie mich für einen Moment entschuldigen wollen«, sagte Sarah. »Bevor mein Vater kommt, will ich mich rasch umziehen.«
    Wenig später erschien sie in einem züchtigen, dunkelblauen Samtkleid, das hochgeschlossen war und am Halsausschnitt in einen
     weißen Kragen mündete, und statt der Stiefel trug sie nun halbhohe schwarze Pumps.
    Dann läutete es.
    »Er hat schon wieder seinen Schlüssel verlegt«, murrte Leah und meinte damit Sarahs Vater, der seit Jahren kein Auto mehr
     fuhr und sich meist mit dem Taxi durch die Stadt bewegte.
    Markert erhob sich höflich, als Moshe Rosenthal, gekleidet in einen dunklen Anzug und mit einer Kippa auf dem weißhaarigen
     Scheitel, das Eßzimmer betrat. Der Rabbi litt ohne Zweifel an Übergewicht, und besonders groß war er auch nicht. Genau betrachtet,
     sah er mit seinem Kugelbauch, dem weißen Haar und dem nicht weniger weißen Bart aus wie ein Weihnachtsmann aus einer amerikanischen
     Werbung.
    Sarah küßte ihn auf die faltige Wange, und er strich ihr mit unübersehbarem Stolz über das schwarze Haar.
    »Das ist Doktor Rolf Markert«, sagte Sarah auf deutsch. »Er hospitiert an unserer Universität, und mir obliegt es, mich ein
     wenig um ihn zu kümmern.«
    Einen Moment lang bedachte Rosenthal den farblosen Enddreißiger mit einem prüfenden Blick, doch dann entspannten sich |44| seine Gesichtszüge, da er offenbar zu dem Schluß gekommen war, daß er bei diesem Mann wohl kaum Gefahr lief, seinen zukünftigen
     Schwiegersohn vor sich sitzen zu haben.
    Nachdem Rosenthal sich niedergelassen hatte, entzündete Sarah die Kerzen. Dann setzte sie sich wieder, und ihr Vater sprach
     ein kurzes, hebräisches Gebet, das er zu Ehren des deutschen Gastes mit den Worten »Gepriesen seiest du, Ewiger. Du ernährst
     alle« beendete.
    Leah trug Brot, Kartoffeln, gekochte Okraschoten und Lamm auf, dazu eine süßsaure Soße mit Rosinen und Mandeln. Markert beobachtete
     interessiert, wie sie Sarah eine Schale mit gebratenen Kichererbsenklößchen neben den Teller stellte.
    »Wollen Sie auch welche?« fragte Sarah.
    Einen Moment später bot Leah dem deutschen Gast die Platte mit dem Lamm an, und Markert schaute irritiert, nicht schlüssig,
     für welche Speise er sich entscheiden sollte.
    »Lassen Sie sich nicht verunsichern«, empfahl ihm der Hausherr. »Meine Tochter ißt nichts, was ein Gesicht hat, wie sie sich
     immer auszudrücken pflegt. Deshalb ist Leah so freundlich und geht auf ihre vegetarischen Wünsche ein.«
    Leah war nicht nur so freundlich, vegetarische Wünsche zu erfüllen, sie goß auch den koscheren Wein in die passenden Gläser,
     wobei Sarah auch hier eine Ausnahme machte und auf Wasser bestand.
    »LeChajjim«, sagte Moshe Rosenthal und

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