Die Gegenpäpstin
zum Campus ankündigte. Offenbar wußte der Deutsche
nicht so recht, was er von der ganzen Situation halten sollte, zumal Bergman nicht bereit zu sein schien, ihm Genaueres über
den Fund mitzuteilen.
|40| Sarah wandte sich um und ging auf den Deutschen zu. »Hätten Sie Lust, mich zu begleiten?« fragte sie lächelnd.
Er lächelte unschlüssig. »Wohin denn?«
»Was halten Sie von einem koscheren Essen mit einem Rabbi?«
Markert nickte. »Gerne, wenn er nichts gegen christliche Gesellschaft hat.«
Auf der Fahrt zurück zur Universität brach Markert das Schweigen. »Kann oder will Bergman mir nicht genauer sagen, was er
dort unten vorgefunden hat?«
Sarah konzentrierte sich auf die Straße. Ein spöttisches Lächeln glitt über ihre Lippen. »Fragen Sie mich nicht! In jedem
Fall ist er längst nicht so euphorisch, wie ich es war, als ich die Gräber heute morgen entdeckt habe. Letztendlich hat er
recht. Ob es tatsächlich ein Sensationsfund ist, wissen wir erst, wenn wir genauere Untersuchungen angestellt haben. Bevor
wir nicht Gewißheit haben, ob die Datierung stimmt und wir nicht den Hintergrund der aufgefundenen Artefakte und Schriften
beurteilen können, ist alles möglich.«
Nachdem sie auf dem Campus in Sarahs Mini Cooper umgestiegen waren, hielt Sarah inne und sah Markert eindringlich an.
»Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen, erwähnen sie meinem Vater gegenüber nichts von unserer neuen Grabung. Er ist strenggläubiger
Rabbiner und hält nicht viel von Leichenfledderei, wie er unsere Arbeit gerne nennt.«
»Selbstverständlich«, entgegnete Markert und zwinkerte sie vertrauensvoll an. »Gut, daß Sie mich gewarnt haben. Nirgendwo
findet man mehr Fettnäpfchen als in religiösen Fragen.«
Sarah bog auf die talwärts führende Straße ab und lenkte den Wagen in die nächste Serpentine hinein. »Im Grunde genommen ist
er ein netter, alter Mann«, redete sie weiter, »aber leider hat er überhaupt kein Verständnis für meine Arbeit. In seinen
Augen |41| ist die Störung der Totenruhe eine schwere Sünde, gleichgültig, ob wir ägyptische Könige ausgraben oder einen Neandertaler.«
»Für eine solche Einstellung habe ich durchaus Verständnis«, erwiderte Markert, während er sich an einen Haltegurt klammerte,
weil Sarah in die nächste Kurve raste. »Obwohl die Wissenschaft für manch einen so etwas wie eine Religion sein mag, bewegt
sie sich auf einem gänzlich anderen Feld. Im Idealfall können sich beide Seiten respektieren, wo das nicht möglich ist, sollte
Diplomatie walten.«
Das Haus von Moshe Rosenthal befand sich auf einer Anhöhe mit Blick über den Hafen von Haifa, inmitten einer Kolonie deutschstämmiger
Juden, die bereits während des Zweiten Weltkrieges hierher geflohen waren. Von weitem sah es aus wie eine riesige italienische
Villa aus den zwanziger Jahren. Doppelstöckig, mit flachem Bungalowdach und vielen Fenstern, die allesamt mit hölzernen Läden
verschlossen werden konnten. Rundherum erhoben sich Zypressen, die das Haus im Abendlicht wie riesige schwarze Speere umgaben.
Markert folgte seiner Gastgeberin zu einem steilen, beleuchteten Treppenaufgang, der in einem Zickzackkurs durch einen wunderschön
angelegten Garten hinauf zum Hauseingang führte. Leider war die Dämmerung schon zu weit fortgeschritten, so daß man nicht
all die verschiedenen Sträucher und Blumen bewundern konnte, die trotz des israelischen Winters in voller Blüte standen.
An der Haustür wurden sie von Leah empfangen, der mageren, in die Jahre gekommenen Haushälterin. Leah kümmerte sich um alle
anfallenden Hausarbeiten und war mittlerweile so übergangslos in die Rolle der Gastgeberin geschlüpft, daß Fremde fälschlicherweise
denken mochten, sie ersetze dem Hausherrn sogar die Ehefrau.
Sarahs Mutter, die ebenfalls auf den Namen Sarah gehört hatte, war eine ungewöhnliche Schönheit gewesen, wie jeder erkennen
konnte, der das geräumige, viktorianisch eingerichtete Speisezimmer |42| betrat, wo ein Gemälde von ihr hing, das sie in einem weißen Kleid auf einer blühenden Wiese zeigte.
»Darf ich vorstellen, Madame Sarah Rosenthal«, sagte Sarah mit verhaltenem Stolz. »Mein Vater hat dieses Gemälde nach ihrem
Tod anfertigen lassen. Vorlage war ein Hochzeitsfoto meiner Eltern.«
»Sie sehen ihr sehr ähnlich.«
»Danke«, antwortete Sarah mit einem Lächeln. »Das fasse ich als Kompliment auf.«
»Woran ist sie gestorben?« Markerts Blick
Weitere Kostenlose Bücher