Die Gegenpäpstin
Sicherheitsschleuse, die ein steriles Umfeld innerhalb des Labors garantierte, erlaubte nur einen spärlichen
Ausblick auf den dahinter befindlichen Reinraum mit seinen langgezogenen Gängen, in denen sich zahlreiche Tische und Regale
aneinanderreihten. Überall befanden sich technische Geräte und hingen Schläuche. Zwei eindrucksvolle Elektronenmikroskope
komplettierten das Bild.
Das Personal in diesem Labor arbeitete im Schichtwechsel von den frühen Morgenstunden bis spät in die Nacht. In weiße Kittel
und grüne Häubchen gekleidet, Handschuhe und Schutzbrillen inklusive – experimentierte man nicht nur an diversen Projekten
zur Bestimmung von Y-Chromsomen und mütterlicher Mitochondrien-DNA, sondern widmete sich auch der weltweiten Identifizierung
von Kriegsopfern oder unbekannten Toten. So hatte man die US-amerikanischen Behörden bei der Identifizierung der Opfer des
11. September unterstützt und sich an der DNA-Bestimmung der Tsunami-Leichen von Sri Lanka beteiligt.
Rolf Markert kannte die Methoden zur Bestimmung der Herkunft und des Geschlechtes eines aufgefundenen Skelettes bereits aus
Deutschland. Nie zuvor jedoch hatte er solch ein Labor gesehen.
»Sequenzierung nennt man so etwas«, erklärte ihm Aaron Messkin, als der Deutsche nach dem Verfahren der Feststellung eines
bestimmten DNA-Typus gefragt hatte. »Dabei werden Teile des menschlichen Gen-Codes aus den in Knochenfragmenten oder Zähnen
vorgefundenen Zellen extrahiert, aufbereitet und |51| kopiert. Die anschließend aufgeschlüsselte Desoxyribonukleinsäure – kurz DNS oder auch DNA genannt – wird nach der darin enthaltenen,
unterschiedlichen Anordnung der Basen Adenin, Thymin, Guanin oder Cytosin, abgekürzt A T G C, dargestellt und auf einem Röntgenfilm
für einen Vergleich mit anderen Untersuchungsobjekten sichtbar gemacht.«
Aaron bat Sarah und Markert, sich zu setzen, bevor er selbst hinter einem Mahagonischreibtisch Platz nahm. An den Wänden standen
Jugendstilschränke, in denen – hinter blankpolierten Glasscheiben – verschiedene Schädelformationen ihre vorerst letzte Ruhestätte
gefunden hatten.
Cro-Magnon-Mensch – lebte vor etwa 25 000 Jahren in Europa
, war auf einem Messingschild zu lesen, das neben einem Schädel angebracht war. Dem Cro-Magnon-Menschen fehlten ein paar seiner
stattlichen Zähne. Der Neandertaler, ein Regalbrett darüber, verfügte hingegen über ein vollständiges Gebiß, das beinahe den
Eindruck erweckte, zu einem ständigen Grinsen erstarrt zu sein.
»Sind das echte Exponate?« fragte Markert verblüfft. Echte Schädel dieser erstaunlich gut erhaltenen Hominiden waren für ein
Universitätsinstitut eigentlich zu kostbar.
»Nein«, erklärte Aaron lächelnd. »Es sind Nachbildungen. Die übrigen Schädel sind allerdings echt.«
Neben den nachgebildeten Schädeln menschlichen Ursprungs komplettierten die sterblichen Überreste mehrerer Affenarten die
Sammlung. Die Affen waren – den angebrachten Messingschildern nach – allesamt Großwildjägern Anfang des letzten Jahrhunderts
zum Opfer gefallen.
In seinen sportlichen Jeans, den ausgetretenen Turnschuhen und einem bunten Che-Guevara-T-Shirt, dessen Konterfei Aaron verblüffend
ähnlich sah, paßte Sarahs Ex-Freund ebensowenig in diese Kulisse wie Sarah selbst, die in ihrer robusten Kleidung einer modernen
Bergführerin glich.
|52| »Ich brauche nur ein wenig Speichel von jedem«, erklärte Aaron. Einen Moment später war eine seiner Assistentinnen zur Stelle,
die zwei Plastikröhrchen mit winzigen Bürsten zückte.
Sarah kannte diese Prozedur, die notwenig war, damit in einer Vergleichsuntersuchung ausgeschlossen werden konnte, daß die
von den Skeletten sequenzierte DNA-Probe versehentlich von einem der Wissenschaftler stammte. Eine verirrte Hautschuppe reichte
aus, um das gesamte Ergebnis zu verfälschen. Da sich das Verfahren zur Erlangung der mitochondrialen DNA aus alten Leichenteilen
kompliziert und aufwendig darstellte, war es selbstverständlich, das Risiko der Verunreinigung möglichst gering zu halten.
Unter anderem mußten Knochen oder Zähne zuvor mit ultraviolettem Licht bestrahlt werden, um eine Vermischung mit fremder DNA
auszuschließen, danach wurde das gewonnene Material unter absolut sterilen Bedingungen pulverisiert, stundenlang gekocht und
chemisch behandelt, bevor es sich aus seinem Zellkern löste. Erst danach war es möglich, zum Beispiel
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