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Die Gegenpäpstin

Titel: Die Gegenpäpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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erhob für einen kurzen Moment das Glas. Nachdem alle getrunken hatten, fuhr er wie
     selbstverständlich fort. »Mein sehr verehrter Herr Doktor Markert, Sie gehören also tatsächlich auch zu der Sorte Menschen,
     denen es Spaß macht, im Wüstensand nach alten Knochen zu graben?«
    »Nun ja«, antwortete Rolf Markert. »Ich halte die Archäologie für eine wichtige Wissenschaft, die uns hilft, ein wenig Licht
     ins Dunkel zu bringen.«
    |45| »Um Licht ins Dunkel zu bringen, brauchen die Menschen in erster Linie ihren Glauben«, erwiderte Rosenthal. »Sind Sie Christ?«
    Sarah beobachtete eine plötzliche Veränderung in der Miene des Deutschen.
    »Ja«, erwiderte Markert einsilbig.
    »Dann müßten Sie mich eigentlich verstehen. Was bringt es, die Totenruhe unschuldiger Menschen zu stören, wo man doch die
     Wahrheit einzig und allein in der Thora findet? Denken Sie tatsächlich, mit all Ihren Forschungen können Sie etwas beweisen,
     was man nur mit dem Herzen erkennen und verstehen kann?«
    »Papa!« Sarah sah ihren Vater streng an.
    »Ich muß mich entschuldigen«, beschwichtigte Rosenthal und bedachte Markert mit einem Lächeln, das Bedauern ausdrückte. »Ich
     wollte Sie nicht beleidigen. Ich wünsche mir nur, meine Tochter würde endlich begreifen, daß ihre Mission nicht draußen in
     der Wüste liegt, sondern an der Seite eines aufrichtigen Ehemannes, der sie endlich zur Mutter und mich zum Großvater macht.«
    Sarah schüttelte heftig den Kopf. »Denkst du wirklich, daß unser Gast an der Familienplanung interessiert ist, die du für
     mich vorgesehen hast?«
    Sie meinte in Markerts beschwichtigendem Lächeln einen Anflug von Verständnis für ihren Vater zu entdecken, und das ärgerte
     sie.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen«, bemerkte der Deutsche. »Ich bin erst seit kurzem verheiratet. Es ist schön, zu wissen,
     wo man hingehört.«
    »Ich fasse es nicht«, ereiferte sich Sarah. »Warum begreift niemand, daß es heutzutage bei allem Fortschritt immer noch ein
     Problem ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, wenn man als Frau Karriere machen möchte?« Sie schaute Markert
     an. »Sie haben mit Sicherheit eine Frau, die treu und brav auf ihren Nachwuchs achtgibt, während Sie in der Weltgeschichte
     herumreisen. Können Sie sich vorstellen, es wäre umgekehrt?«
    |46| Nun war es an Sarahs Vater, sie mißbilligend anzuschauen, und dann wandte er sich erneut Markert zu. »Für Ihre Eltern ist
     es vermutlich eine große Beruhigung, zu wissen, daß Sie eine gute Frau gefunden haben, mit der Sie den Rest ihres Lebens verbringen
     und die Ihnen und Ihrer Familie die Nachkommenschaft sichert.«
    »Nicht ganz«, erwiderte Markert, und sein Blick drückte eine seltsame Art von Vergnügen aus, als er fortfuhr. »Meine Frau
     ist ein Mann. Wir hatten das Glück, daß man in Deutschland die Gesetze geändert hat, und so konnten wir nach langjähriger
     Freundschaft im letzten Sommer heiraten.«
    Sarah verschluckte sich an ihrem Kichererbsenklößchen und hustete so stark, daß Leah, die wegen ihrer schlechten Deutschkenntnisse
     nicht verstand, warum Moshe Rosenthal ein solch entsetztes Gesicht machte, ihr in übertriebener Fürsorglichkeit auf den Rücken
     klopfte.
    Später, als Sarah ihren deutschen Kollegen zum Gästehaus der Universität zurückbrachte, versuchte sie sich bei ihm zu entschuldigen.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, noch bevor Markert sich anschickte auszusteigen. »Daß Sie heute abend erneut zwischen die Fronten
     geraten sind, war nicht vorgesehen. Obwohl ich zugeben muß«, fügte sie lächelnd hinzu, »ich habe es als sensationell empfunden,
     als Sie meinem Vater offenbarten, daß Sie homosexuell und mit dem Mann Ihrer Träume verheiratet sind. Hierzulande wäre so
     etwas vollkommen ausgeschlossen, weil jegliche Ehe grundsätzlich von einem Rabbi geschlossen werden muß. Meinen Vater würde
     der Schlag treffen, wenn er zwei Männer miteinander verheiraten müßte.«
    »Zwischen die Fronten zu geraten bin ich gewohnt«, erwiderte er, während er leise lächelte. »Ich habe sieben Jahre katholische
     Theologie studiert, wollte Priester werden, und als man mich vor der Weihe befragte, welche geschlechtliche Ausrichtung ich |47| habe, konnte ich es einfach nicht über mich bringen, gegen meine Überzeugung zu sprechen.«
    »Und was hatte es für Konsequenzen?«
    »Die römisch-katholische Kirche hat mir die Weihe zum Amt verwehrt. Es gibt zwei Gruppen von Menschen,

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