Die Gegenpäpstin
Sprache ein. »Und meine Vorfahren
waren weder Katholiken noch Protestanten. Sie waren allesamt Juden, so wie ich mich als Jüdin bezeichnen kann. Jedoch ein
Gefühl aus der Tiefe meiner Seele sagt mir, daß wir alle aus demselben Fleisch und Blut gemacht sind und es nicht wichtig
ist, wo wir herstammen oder wer unsere Vorfahren waren. Wichtig ist, was wir hier und jetzt daraus machen. Vielleicht wird
uns die moderne Wissenschaft mit der gerade erst am Beginn stehenden Genforschung eines Tages bestätigen, daß wir alle denselben
Ursprung haben. Mirjam und Jeschua wollten die Menschen auf einen friedlichen Pfad der Selbstfindung zu Gott führen, fernab
von Tempeln und diskriminierenden Gesetzen. Gegen die Macht und gegen Gewalt gingen sie mit gutem Beispiel voran. Dabei haben
sie niemanden zu seinem Glück gezwungen, geschweige denn ihn wegen seines Glaubens, seiner Herkunft oder seines Geschlechts
verachtet.«
Beifall brandete auf, und hier und da wurde ihr Name gerufen. Jemand hielt ein Schild hoch, auf dem sie schon als
Sarah die Gegenpäpstin
bezeichnet wurde.
Sarah erhob mit einem Räuspern erneut ihre Stimme. »Es ehrt mich, daß ihr mich zu eurem Oberhaupt küren wollt, jedoch glaube
ich, so manche von euch ist aufgrund ihrer Erfahrung und Ausbildung weit besser geeignet als ich, ein solches Amt zu übernehmen.
Doch wer weiß, möglicherweise wird eine solche Maßnahme gar nicht mehr notwendig sein. Nach allem, was ich in den letzten
Wochen und Monaten erlebt und in den Pergamenten gelesen habe, bedarf es keiner Päpstin und auch keines Papstes, um zu erkennen,
daß das göttliche Prinzip in jedem einzelnen von uns wohnt und daß wir den Weg zum wahren Glauben ohnehin nur in uns selber
finden können.«
[ Menü ]
|451| Epilog
Es gibt nicht mehr Juden und Griechen
Sklaven und Freie,
nicht Mann und Frau,
denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.
Wenn ihr aber zu Christus gehört,
dann seid ihr Abrahams Nachkommen,
Erben kraft seiner Verheißung.
(Gal 3, 28, 29)
24. Dezember 2007 Jebel Tur’an – Christkind
Kurz vor Sonnenuntergang näherte sich ein weißer Jeep dem höchsten Punkt des Jebel Tur’an. Die beiden Insassen, ein Mann und
eine Frau, die am Steuer saß, sahen in ihren gleichartigen hellen Trekkingoutfits aus wie Teilnehmer einer Wüstenexpedition.
Der Wagen rumpelte über die unebene Zufahrt auf ein neu errichtetes Besucherzentrum zu. Überall standen verlassene Baumaschinen
herum. Zwischendrin versuchte ein frisch ernannter Parkplatzwächter einzelne Fahrzeuge zur Ausfahrt zu dirigieren.
»Wir schließen jetzt«, sagte er mit einigem Bedauern in der Stimme, als die junge Frau an der Einfahrtschranke das Wagenfenster
herunterließ, um noch kurz vor Toresschluß Einlaß zum Gelände des vor kurzem begründeten Wallfahrtsortes der Mirjam von Taricheae
und des Jaakov von Nazareth zu erlangen.
»Ich möchte nicht in die Höhle«, sagte sie mit einem Lächeln und hielt ihm gleichzeitig einen Ausweis der Universität Haifa
hin, der sie als leitende Archäologin auswies. »Wir möchten nur ein wenig die Aussicht genießen.«
Erst da schaute der Wächter auf das Gesicht der Frau.
|452| »Selbstverständlich, Frau Doktor Rosenthal. Es tut mir leid, ich habe Sie nicht gleich erkannt.«
»Macht nichts«, sagte sie leichthin. »Wir bleiben auch nicht lange.«
Der Wachmann warf einen interessierten Blick in den Fond des Wagens, wo ein leises Krähen, gefolgt von einem lauten Schmatzen,
zu hören war.
»Oh«, sagte er mit einem Schmunzeln. »Ich wußte gar nicht, daß Sie schon entbunden haben.« Er streckte ihr die Hand entgegen.
»Herzlichen Glückwunsch. Und das ist wahrscheinlich der Vater?«
Ein blaues, vor Stolz leuchtendes Augenpaar erwiderte seinen suchenden Blick. Der Mann mit dem rötlichen Haar und dem kurzgeschorenen
Bart hielt seinen Arm schützend um das fest angeschnallte Körbchen. Darin lag der neugeborene Säugling, in ein lindgrünes
Deckchen gehüllt, und nuckelte friedlich am kleinen Finger des Vaters.
»Was ist es denn?« fragte der Wachmann neugierig weiter. »Ein Junge oder ein Mädchen?«
»Darf ich vorstellen?« sagte Sarah, und ihre Wangen röteten sich ein wenig. »Das sind mein Mann Padrig McFadden und unsere
gemeinsame Tochter Mirjam. Sie ist knapp sechs Wochen alt. Ich dachte mir, ich zeige ihr einmal, wie wunderschön das Land
ihrer Vormütter ist, besonders bei Sonnenuntergang.«
Der Wächter richtete sich
Weitere Kostenlose Bücher