Die Gegenpäpstin
Morgensterns Schulter und
begann hemmungslos zu weinen. Der grauhaarige Inspektor wiegte sie wie ein Kind, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ.
Leon half mit einem exakt gebügelten Taschentuch aus, das er aus seiner Uniformjacke zog, bevor er es ihr beinahe zaghaft
überreichte.
»Der Polizeipräfekt hat insgesamt fünfzig Jünger Belials festgenommen, inklusive Nero, und sie zur staatsanwaltlichen Vernehmung |436| in ein gut einhundert Kilometer entferntes Hochsicherheitsgefängnis bringen lassen«, erklärte Morgenstern mit einem freudlosen
Lächeln.
»Nero und seine Anhänger werden für ihre Taten büßen«, fügte Leon leise hinzu. »Bildung einer kriminellen Vereinigung, Mord,
gemeinschaftliche Vergewaltigung, Geiselnahme, Raub, Körperverletzung in besonders schweren Fällen, verbotene Ausfuhr nationaler
Kulturgüter – das dürfte fürs erste reichen, um ihn und seine Helfershelfer für lange Zeit, wenn nicht für immer hinter Gitter
zu bringen.«
Sarah brachte ein schiefes Lächeln zustande, während sie Morgenstern dankbar anschaute. »Sie hatten recht, Inspektor. Israel
schützt seine Kinder. Ohne Ihren entschlossenen Einsatz hätte mich Nero für seine wahnwitzigen Ziele mißbraucht, und Padrig
wäre mit Sicherheit tot.« Ihr Blick richtete sich auf den Militärattaché. »Sie haben uns gerettet. Und dafür möchte ich Ihnen
beiden danken.«
»Ohne Padrig hätten wir es nicht geschafft«, bemerkte Morgenstern mit einer Geste der Bescheidenheit. »Er war es, der die
Absichten Neros im Vatikan zutage gebracht hat. Und er war es, der Sie ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben aus dem Castello
herausholen wollte, bevor man Sie womöglich an einen anderen, unbekannten Ort verschleppt hätte.«
»Was ist, wenn er dafür mit dem Leben bezahlen muß?« Ihre Stimme versagte, so groß war ihre Angst.
»Es gibt eine göttliche Gerechtigkeit«, versicherte ihr Morgenstern mit einer ruhigen Stimme. »Sie müssen darauf vertrauen.«
»Für die Frauen, die Nero umgebracht hat, gab es diese Gerechtigkeit offenbar nicht«, entgegnete Sarah leise.
»Sie müssen fest daran glauben.« Morgenstern streichelte ihre Hand.
Die OP-Tür schwang auf. Padrig war immer noch bewußtlos. Er lag auf dem Rücken, Brust und Rumpf verbunden wie eine |437| frisch einbalsamierte Mumie, dabei war er umgeben von hoch aufgehängten Infusionsflaschen.
»Wird er wieder gesund werden?« Die Verzweiflung war Sarah anzusehen, als sie aufsprang und den leitenden Professor der Klinik
am Ärmel packte.
»Wir können nur hoffen«, erwiderte der Chefarzt, und dabei berührte er Sarah in einer vertraulichen Geste an der Schulter,
während seine besorgte Miene nicht unbedingt Optimismus ausstrahlte. »Er hat während der OP hohes Fieber bekommen, und zwischendurch
haben wir ihn wegen akutem Kreislaufversagen reanimieren müssen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Nacht abzuwarten.
Mehr kann ich im Moment leider nicht dazu sagen.«
»Darf ich bei ihm wachen?«
»Sarah, lassen Sie mich das übernehmen«, warf Morgenstern ein. »Vergessen Sie nicht, Sie sind schwanger. Sie benötigen dringend
Ruhe.«
»Nein.« Sarah schüttelte entschieden den Kopf. »Ich habe Aaron Messkin allein im Krankenhaus zurückgelassen, und er ist einsam
gestorben. Das wird mir nicht noch einmal passieren. Ich schwöre es, bei allem was mir heilig ist.«
|438| 47.
März 2007 – Mirjam von Taricheae
Sarah mußte im Sitzen eingeschlafen sein. Den Kopf auf die verschränkten Arme abgestützt, lag sie halb auf Padrigs Bett, umgeben
von Schläuchen und technischen Apparaturen. Sie wußte nicht, wie spät es war. Draußen graute der Morgen, und die Krankenschwester,
die des Nachts häufiger nach Padrig geschaut hatte, war für einen Moment hinausgegangen.
Plötzlich öffnete er seine Augen und lächelte versonnen, als er ihr Gesicht erblickte. Sarah hätte ihm vor Glück um den Hals
fallen mögen, doch sie hielt sich zurück. Selbst wenn er die Nacht überlebt hatte, war er noch lange nicht über den Berg.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie kaum hörbar.
»Ich dich auch«, gab er leise zurück.
Ihre Finger streichelten über seinen kurzen roten Bart. »Ich habe solche Angst um dich, bitte streng dich nicht an. Du mußt
gesund werden.«
»Du brauchst keine Angst zu haben«, flüsterte er. »Ich werde dich nie mehr allein lassen. Dich nicht und das Kind auch nicht.
Ich werde den Franziskanerorden
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