Die Gegenpäpstin
Waffe.
»Stimmt es, daß Sie gestern an dieser Stelle einen bedeutenden archäologischen Fund gemacht haben«, fragte der Mann mit der
Armeejacke Sarah.
Sie antwortete nicht, sondern hob instinktiv die Hand vor ihr Gesicht, als der Fotograf seine Kamera hochriß und auf den Auslöser
drückte.
|55| Dem Wachpersonal wurde es nun zu bunt. Zwei der insgesamt fünf Männer sprangen vor und packten sich den Fotografen. Die Kamera
fiel scheppernd zu Boden, und der Mann schrie schmerzerfüllt auf, als einer der Wächter ihm den Arm auf den Rücken drehte.
»Ihr sollt verschwinden«, brüllte der andere Wachmann, während er sich schützend vor Sarah stellte. Markert traute sich gar
nicht aus dem Fahrzeug heraus. Der Reporter packte rasch sein Mikrofon ein und setzte zum Rückzug an. Im Laufen griff er sich
die Kamera. Sein malträtierter Kollege rannte ihm hinterher, nachdem der Wachmann ihn losgelassen hatte. Beide sprangen in
einen alten Jeep und rasten mit quietschenden Reifen davon.
Sarah spürte, wie ihr Herz vor Aufregung klopfte. »Wo ist der Professor?« fragte sie einen der Sicherheitsmänner.
»Unten in der Höhle«, antwortete ihr selbsternannter Beschützer.
»Ich möchte, daß Sie ihn rufen. Er muß wissen, was hier geschehen ist.« Sarah war sich darüber im klaren, daß Bergman nicht
wegen ihr aus der Höhle kommen würde, aber er mußte daran interessiert sein, daß so wenig wie möglich von seiner halblegalen
Aktion nach außen drang.
Fünf Minuten später erschien Bergman am Loch der Höhle und setzte eine betont unschuldige Miene auf. »Sarah, schön, dich zu
sehen«, säuselte er. »Ich dachte mir, ich lasse dich ausschlafen. Schließlich beginnt heute der Shabbat, und dein Vater sieht
es ja nicht gerne, wenn du an einem solchen Tag arbeitest.«
»Vielen Dank für deine Fürsorge, Zak«, entgegnete sie voller Ironie. »Ich bin sicher, du kommst auch ohne mich aus. Bist du
mittlerweile im Bilde darüber, wessen sterbliche Überreste es rechtfertigen, daß wir uns mit der IAA anlegen?«
Bergmans Haare standen wirr vom Kopf ab, und sein Overall war über und über mit Staub bedeckt. »Mach dir keine Sorgen! Ich
hab heute morgen mit Doktor Eli Schwartz gesprochen. Er |56| ist der neue Abteilungsleiter der IAA, der für die Vergabe der Grabungslizenzen zuständig ist.«
Sarah zog überrascht eine Braue hoch. »Hast du ihm gesagt, was wir hier gefunden haben?«
»Ich hab ihm gesagt, daß wir etwas gefunden haben. Und ich habe ihm die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen schmackhaft
gemacht, bis wir ganz sichergehen können, daß der Fund eine besondere Bedeutung hat.«
Sarah mußte es beinahe bewundern, wie unverfroren Bergman bei diesem Fund zu Werke ging.
»Wir haben übrigens die Pergamente geborgen«, fuhr der Professor fort. »Wenn du möchtest, kannst du gleich heute nachmittag
darangehen, eine erste Analyse vorzunehmen.«
Bergman durfte sich ausrechnen, daß selbst Sarah der Versuchung nicht widerstehen konnte, einen solchen Jahrtausendfund als
erste untersuchen zu dürfen.
Sarah zitterte ein wenig, als sie am frühen Nachmittag in Gegenwart von Rolf Markert das erste Pergament in einem speziell
dafür ausgestatteten, klimatisierten Laborraum entrollte. Hier gab es keine Fenster und somit kein Tageslicht, das dem kostbaren
Schriftstück hätte zusetzen können. Eine gleichbleibende Temperatur mit einer geringen Luftfeuchtigkeit und gedämpftes Rotlicht
sollten dafür sorgen, daß bei den kostbaren Artefakten keine Schäden entstanden. Sarah trug Handschuhe, einen sterilen Kittel
und einen Mundschutz, als sie sich daranmachte, die einzelnen Stücke in einem eigens dafür konstruierten Rahmen zu fixieren
und mit einer speziellen Kamera zu fotografieren.
Insgesamt sechsunddreißig Schriftrollen, eng beschrieben in Koiné, warteten auf ihre vollständige Enthüllung.
»Die Pergamente sind von einer unfaßbar guten Qualität«, flüsterte Sarah ehrfürchtig.
|57| »Wir werden die Schriften fotografieren und das Ergebnis in eine Computerdatei übertragen. Die Übersetzung werde ich dann
anhand der Kopien vornehmen.«
»Koiné bereitet Ihnen offenbar keine Schwierigkeiten?« Markert, mit dessen Altgriechisch es offenbar nicht zum Besten stand,
warf Sarah einen fragenden Blick zu.
»Das hellenistische Altgriechisch?« Sarah schaute ihn verwundert an. »Es gehörte zu meiner Ausbildung. Ebenso wie Aramäisch,
das ich bereits mit drei Jahren
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